Interview: Michael Adler „Zusammen ist es Klimaschutz“
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen.
Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. Anschließend wird ein Ausblick auf Trends sowie Tipps gegeben, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.
Zu Gast: Michael Adler, Geschäftsführer der Agentur fairkehr und Gründer der Agentur tippingpoints
Michael Adler studierte von 1983 bis 1990 in Mannheim und Bonn Politikwissenschaften, Geschichte, Germanistik und Volkswirtschaft. Anschließend arbeitete Adler 6 Jahre beim Vorwärts Verlag, bevor er 1997 Geschäftsführer der Agentur fairkehr wurde. 2012 gründete er zusätzlich die Agentur für nachhaltige Kommunikation tippingpoints .
Die Ende 2014 gestartete Klimaschutzkampagne des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) „Zusammen ist es Klimaschutz“ haben die Agenturen fairkehr, Bonn (unterstützt von tippingpoints) und Tinkerbelle, Berlin gemeinsam erdacht.
energieheld: Hallo Herr Adler, schön dass Sie für uns Zeit haben.
Michael Adler: Für Energiehelden immer… (lacht)
Thema: Energiewende Kommunikation
„Mich hat bisher keine Botschaft erreicht, die mich für die Energiewende mobilisieren will.„
energieheld: Herr Adler was läuft schief, wenn es darum geht die Energiewende einer breiten Masse schmackhaft zu machen?
Michael Adler: Wir reden über die Probleme und die Hindernisse, nicht über die Chancen und Verheißungen, die in der Energiewende liegen. Vielleicht ist das typisch deutsch. Und, keiner weiß, was er oder sie konkret tun soll. Und wenn man es den Menschen erklärt über Energieberater oder Ministerien wird es schnell kompliziert, abstrakt oder beides.
Und die „breite Masse“ gibt es nicht. Die zwei Drittel in der Mitte unserer Gesellschaft sind höchst unterschiedliche Zielgruppen. Man muss die Menschen mit guten Geschichten, die etwas mit ihrem Leben zu tun haben, ansprechen. Und die Ansprache muss emotional sein, sonst ändere ich an meiner alltäglichen Routine nichts.
energieheld: Wenn Sie sich jetzt die aktuellen Kommunikationsstrategien zur Energiewende angucken. Was stört Sie dabei am meisten?
Michael Adler: Welche Kommunikationsstrategien? Jetzt mal im Ernst: Mich hat bisher keine Botschaft erreicht, die mich für die Energiewende mobilisieren will. Und ich wäre ja offen dafür. „Energiewende selbst gemacht. Nichts einfacher als das“ habe ich letztens irgendwo gelesen, oder „50-80-90“, das ist, glaube ich der Claim einer baden-württembergischen Kampagne. Das eine ist mir zu altbacken nach dem Motto „Hausbesitzer aufgepasst! Ich erklär dir jetzt mal, wie du ganz einfach deine Heizung austauschen kannst“. Und, ich glaube die Botschaft nicht. Den zweiten Claim versteh ich nicht. Jedenfalls nicht ohne Erklärvideo. Ich habe viel zu tun und wenig Zeit, das heißt man muss mich schnell interessieren für eine komplexere Botschaft und man muss mich dann wenigstens ein bisschen unterhalten, sonst wird mir das zu schwierig. Man muss klar formulieren, was man von mir will. Die ganze Energiewende ist für mich alleine eine Nummer zu groß. Die Botschaft muss zu meiner Lebenssituation passen, also zielgruppengerecht sein und nicht nur meinen Kopf sondern auch mein Herz ansprechen.
Thema: Kommunikationsstrategien
„Ich mache Klimaschutz nicht weil ich ihn verstehe, sondern weil ich ihn will.“
energieheld: Kann Populismus im Negativen wie im Positiven einer Kommunikationsstrategie schaden?
Michael Adler: Wenn Sie unter Populismus das opportunistische Ranschmeißen an das „einfache Volk“ mit einfachen Botschaften verstehen, dann hilft das keiner Kommunikationsstrategie. Es sei denn einer politischen Partei, die mit dem Bedienen von Stereotypen Stimmung im Bierzelt machen will. Ein intellektuell forderndes Thema wie Energiewende oder Klimaschutz taugt für diese Art von Verkürzung nicht, es sei denn man will beides verhindern.
energieheld: Was wären Ihre Ansätze für eine nachhaltige Kommunikationsstrategie?
Michael Adler: Wichtig ist fundiert recherchierte Richtigkeit der Aussagen, aber einfache verständliche Botschaften, gepaart mit Witz und Überraschung. Ganz wichtig: Kommunikation, die eine Verhaltensänderung bei Menschen auslösen will, muss mehr bieten als sachliche Information. Die Botschaft muss mich emotional angehen, meine Lebenswelt betreffen und einen starken Impuls gegen meine alltäglichen Routinen setzen. Ich mache Klimaschutz nicht, weil ich ihn verstehe sondern weil ich ihn will.
Hilfreich dabei ist ein „story telling“ Ansatz und mit „Role models“ zu arbeiten. Geschichten können sich Menschen besser merken als Grafiken und fachliche Informationen und Menschen wollen eigentlich „normal“ sein. Daher sind die Videospots, die wir mit Bloggerinnen und Bloggern gedreht haben, auch sehr wichtig, weil sie Menschen zeigen, die einen etwas anderen Weg eingeschlagen haben. Das macht Mut zur Nachahmung. Wenn der oder die das kann und schon mehrere tausend Fans, Follower und Kontakte hat, dann kann beispielsweise die vegane Lebensweise nicht so exotisch sein, wie mir meine Mutter oder mein Vater das immer einreden will.
Thema: #Ziek
„Das Image des Klimaschutzes ist in der Tat im Keller.“
energieheld: Sie haben für das BUMB die Klimakampagne „Zusammen ist es Klimaschutz“ entworfen. Beschreiben Sie doch bitte wie es zu der Zusammenarbeit kam?
Michael Adler: Wir haben diese Kampagne mit unseren Freunden der Agentur Tinkerbelle und in intensiver Abstimmung mit dem Referaten für Presse und Öffentlichkeitsarbeit und für die „Nationale Klimaschutzinitiative NKI“ des BMUB entwickelt. Tinkerbelle ist verantwortlich für die drei Spots mit Zombies, Sex und Macho, die gerade Furore machen. Wir haben die sogenannten BlogSpots mit Bloggerinnen und Bloggern der Nachhaltigkeitsszene und mit der Ministerin gedreht und wir erarbeiten mit den Fachabteilungen des BMUB die Themenwochen und Verbrauchertipps zum Klimaschutz. Tinkerbelle und fairkehr sind Rahmenagenturen für die NKI und da lag es nahe für eine Klimaschutzkampagne uns zu fragen.
energieheld: Was ist das Ziel und für welche Zielgruppe ist die Kampagne „Zusammen ist es Klimaschutz“ gemacht worden?
Michael Adler: Das Ziel war, das Thema Klimaschutz wieder in die öffentliche Debatte zu bringen. Vor dem Klimagipfel im Dezember in Lima und mit Blick auf den wahrscheinlich sehr entscheidenden Gipfel nächstes Jahr in Paris. Die Zielgruppe war klar definiert: Die 18 bis 35jährigen jungen Multiplikatoren, die vor allem im Web und über Socialmedia Kanäle kommunizieren.
Um die Zielgruppe zu erreichen haben wir drei unterschiedliche Wege eingeschlagen. Mit dem einen Teil, den hollywoodesken Kinospots versuchen wir die Zielgruppe, die bisher Klimaschutz nicht als ihr Ding begriffen hat, mit dem Thema in Kontakt zu bringen. Das funktioniert über das überraschende und witzige Einfliegen des Themas über Zombies-, Sex- und Macho-Geschichten. Wir erzählen eine kleine Geschichte, die Interesse weckt und das Zuhören der Zielgruppe möglich macht und dann setzen wir die überraschende Botschaft des Lichtlöschens oder Radfahrens. Diese Taktik geht offenbar voll auf. Fast zwei MIllionen mal wurden diese drei Spots bisher im Web angeschaut.
Im zweiten Teil haben wir mit exponierten Vertretern der nachhaltigen Bloggerszene Videospots unter der Überschrift „So lebe ich“ gedreht. Die Blogger schildern kurz und knapp ihren jeweiligen klimaschonenden Lebensstil. Diese insgesamt neun Spots plus einer mit der Ministerin selbst sollen als „role model“, als Vorbild, für veränderte Lebensstile fungieren. Auch diese Strategie geht auf. Die knapp zwei Minuten langen Filme zielen weniger auf vordergründigen Witz haben aber auch schon mehrere zehntausend Zuschauer gefunden.
Als drittes Standbein liefern wir Verbrauchertipps für insgesamt fünf Themenwochen. Wir beantworten Fragen zu Themen wie „Besser Wohnen“, „Schöner Schenken“ oder „Klimafreundlicher Essen“. Außerdem gibt es ausführliche Linklisten zum weiter informieren und Interviews mit Experten zu den einzelnen Themen.
Und, zusammen ist es Klimaschutz.
energieheld: Es ist schön zu sehen, dass Klimaschutz nicht immer super ernst genommen werden muss, sondern auch Spaß machen kann. Soll in diesem Zusammenhang auch das ganze Image des Klimaschutzes aufgebessert werden?
Michael Adler: Klimaschutz ist eine super ernste Angelegenheit. Aber, so wie die Psyche des Menschen nun mal tickt, erreiche ich gar nichts, wenn ich das immer wieder betone. Die schmelzenden Gletscher und Eisschollen in der Arktis sind schlimm, aber mich betrifft das ja nicht. Es hilft nichts, wenn der Adressat meiner Botschaft nicht bereit ist, mir zuzuhören, dann kann ich noch so schlüssig argumentieren. Er hört mich nicht. Und wir bei Tinkerbelle und fairkehr glauben fest daran, dass Spaß eine Möglichkeit darstellt, Menschen zum Zuhören zu bewegen.
Das Image des Klimaschutzes ist in der Tat im Keller. Alle ein zwei Jahre gibt es diese Gipfel, die regelmäßig scheitern. So jedenfalls der Eindruck der meisten Zuschauer. Und bisher ist es so, dass sich der Großteil der Bürgerinnen und Bürger als Zuschauer fühlen. Die hohe Politik verhandelt, findet keine Lösung, dann kann ich kleiner Mensch ja erst recht nicht tun. Es macht sich zunehmend die Haltung breit: Ist eh nichts zu retten, also lebe ich weiter wie bisher.
Wenn wir mit unserer Kampagne dazu beitragen können, dass junge Leute über unsere Spots einen medialen Zugang zum Thema kriegen, der zu ihnen passt, dann besteht Hoffnung, dass sie sich demnächst mehr einmischen werden. Und, gelegentlich das Licht löschen oder das Fenster schließen.
Mit den Blogspots zeigen wir Protagonisten bestehender Trends, wie vegane Lebensweise, grüne Mode oder klimafreundliche Mobilität. Diese Vorbilder tragen dazu bei, diese ressourcenschonenden Lebensentwürfe gesellschaftsfähiger zu machen. Insofern surfen wir auf bestehenden Trends und verstärken sie.
Nicht mehr aber auch nicht weniger leistet eine gute Kampagne.
energieheld: Oder ist eine reine Image Werbung für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks? Der Stern schreibt dazu: „Durch die Kampagne könnte der Bekanntheitsgrad der Ministerin steigen, die fast 80 Prozent der Deutschen bisher nicht kennen.“
Michael Adler: Das kann durchaus ein Nebeneffekt sein, dass Frau Hendricks bekannter wird. Unsere Aufgabe war es nicht. Eine gezielte Imagewerbung für die Ministerin müsste viel mehr ihre Arbeit und ihre Persönlichkeit ins Zentrum der Kommunikation stellen. Und, im Web diskutiert man auch viel mehr über Strom sparen, Stoßlüften und vegane Lebensweise. Die Imageeffekte für die Ministerin entstehen eher sekundär dadurch, dass es eine Kampagne wie diese noch nie aus einem deutschen Ministerium gegeben hat. Das zeugt von Mut und wenn man das einer Bundesumweltministerin attestiert, schadet es dem Image und dem Amt meines Erachtens nicht.
energieheld: Sie erhalten viel Lob für die Klimakampagne, auf YouTube hat „Erwischt: Meine Eltern“ bereits über 1,6 Millionen Klicks. Aber für die 31. Sekunden Spots gibt es auch Kritik. YouTube Spots für 1,5 Millionen zu drehen ist teuer. Und vor allem der Spot „Rettung für einen Macho“ sorgt für Sexismus Vorwürfe. Braucht es die Provokation?
Michael Adler: Teuer ist immer relativ. Wir haben immerhin nach knapp zwei Wochen zwei Millionen Menschen in Deutschland erreicht. Hätten wir billiger gedreht und weniger Mediamittel zur Verbreitung der Kinospots eingesetzt, hätten wir vielleicht nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit gewonnen. Was ist teurer? Mit 1,5 Millionen ein paar Millionen Menschen zu erreichen oder mit, sagen wir 200.000 Euro dann auch nur ein paar tausend Menschen zu erreichen.
Sexismus können wir beim besten Willen in den Filmen nicht erkennen. Wir haben die Figuren bewusst ironisch überhöht. Es wird aus unserer Sicht auch kein Geschlecht herabgesetzt. Die überwiegende Zahl der Kommentare zeigt auch, dass die Ironie erkannt und als sympathisch empfunden wird.
Und ja, um im großen Rauschen der Informations- und Werbeflut aufzufallen, braucht es Provokation und Witz. Lachen ist ein sehr guter Türöffner.
energieheld: Der Kritik wird entgegengehalten, dass es sich um Satire handelt. Wird dadurch nicht das Gegenteil erreicht – eine Kannibalisierung der Botschaft?
Michael Adler: Wer das behauptet verwechselt Botschaft und Transportmittel der Botschaft. Wir transportieren die Botschaft in den Kinospots in satirischer Weise überhöht. Aber die Botschaft steht am Ende klar und deutlich. Und dadurch, dass wir eine Geschichte dahin erzählt haben kann sich das jeder merken.
Sie können demnächst tausende Menschen in Deutschland beobachten, die mit einem Lächeln das Licht löschen, das Fenster schließen oder mit dem Rad an einem Off-Roader vorbeifahren
Thema: Energiewende-Kampagne für die USA
„Wenn Geld keine Rolle spielt, würde ich im Grundsatz dennoch ähnlich vorgehen, wie wir es hier gemacht haben. Die Amerikaner brauchen aber mehr den Promifaktor als wir.“
energieheld: Gehen wir ins Reich der Träume. Angenommen Sie hätten ein unbeschränktes Budget für eine Energiewende-Kampagne in den USA. Können Sie uns fünf Punkte nennen, wie Sie diese gestalten würden?
Michael Adler: Keine leichte, aber natürlich eine sehr reizvolle Aufgabe im ideologisch gespaltenen Amerika eine Klimaschutzkampagne zu starten. Wenn Geld keine Rolle spielt, würde ich im Grundsatz dennoch ähnlich vorgehen, wie wir es hier gemacht haben. Die Amerikaner brauchen aber mehr den Promifaktor als wir.
Ich würde also Tarantino, Clooney, Soderbergh und Spielberg beauftragen, Spots zu drehen über typisch amerikanische Themen rund ums Klima: Thrill baby Thrill, das neue Ölfieber der Amerikaner, die Supersize fastfood Ernährung, die Riesenautos mit Riesendurst und die Holzhäuschen im kalten Mittleren Westen oder im heißen Florida.
Die Spots müssten ähnlich provokant und überraschend daher kommen, wie unsere. Diese Spots würden wir mit Googles, Facebooks und twitters Hilfe in die sehr aktive socialmedia Szene der West und der Ostküste platzieren. Außerdem würden wir die Filme über die großen TV-Netzwerke schalten, vor die Talkshows, in den Superbowl und die Playoffs der NBA.
Und, nichts lieben die Amerikaner mehr als ihre Promis. Also würde ich Testimonials mit Elon Musk, Leonardo die Caprio, Jennifer Lawrence, TC.Boyle, Dirk Nowitzki, Oprah Winfrey, Ellen de Generess, Taylor Swift, Emma Watson, Miley Cyrus drehen.
Wir würden alle Akteure identifizieren, die schon in Sachen Klimaschutz aktiv sind und mit unbeschränkter Mediapower pushen.
Wir würden zum Klimagipfel nächstes Jahr gleichzeitig riesenhafte Weltkugeln auf dem Time Square, auf dem Capitol Hill, in Cupertino, am Mount Rushmore, in Las Vegas und in Cape Canaveral platzieren und regionale Peoples marches organisieren.
Alles ein bisschen bombastisch geraten. Vielleicht würden wir doch alles ganz anders machen.
energieheld: Lieber Herr Adler, vielen Dank für das nette Gespräch!
Liebe LeserInnen,
Themen kämpfen um das knappe Gut Aufmerksamkeit. Das Thema Energiewende in Deutschland ist kompliziert und abstrakt. Menschen zu erreichen bedeutet sie zu unterhalten. Wie das geht? Indem Geschichten erzählt werden, die lustig sind, die überraschen, die es lohnen, dass man sie weitererzählt. So hat die Agentur von Michael Adler eine Kampagne entworfen, die dem Klimaschutz und der Energiewende neue Facetten hinzufügt. Klimaschutz kann Spaß machen und alternative Lebenswege, vegan sein, nachhaltig einkaufen, sind „normaler“ als man glaubt.