Geothermie in Berlin – ein Schritt in Richtung Klimaneutralität?
Die Wärmewende ist derzeit in aller Munde. In Berlin lautet das neue Zauberwort: Tiefengeothermie. Mit dieser Art von Wärme will die Bundeshauptstadt der Klimaneutralität ein großes Stück näherkommen. Derzeit wird Wärme in Berlin noch zum Großteil durch fossile Energien produziert. Allein auf Windräder und Solardächer zu setzen, reicht nicht aus. Um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, ist ein Wandel der Wärmeversorgung nötig.
Geothermie – was ist das?
Geothermie – auch Erdwärme genannt – das ist eine nachhaltige Energiequelle, die die natürliche Wärme aus dem Inneren der Erde nutzt. Dabei lässt sich zwischen zwei verschiedenen Arten der Geothermie unterschieden: Oberflächennahe Geothermie verwendet die Wärme in geringen Tiefen (bis 400 Meter) für die Heizung und Kühlung von Gebäuden. Etwa für Wärmepumpen, also Erdwärmepumpen, auch Sole-Wasser-Wärmepumpen, genannt. Tiefengeothermie hingegen erschließt höhere Temperaturen, indem in tiefere Erdschichten ab 400 Meter bis zu mehreren Kilometern gebohrt wird. Dadurch kann Strom erzeugt werden oder die Wärme kann als Fernwärme genutzt werden. Dabei gilt die Geothermie als erneuerbare Energie, ist klimafreundlich und unerschöpflich.
Erdwärme kann auf verschiedene Weisen genutzt werden: Etwa kann heißes Wasser nach oben gepumpt werden, wo ihm die Wärme entzogen und diese ins Netz gespeist wird. Das kalte Wasser geht zurück in die Tiefe und wird wieder aufgewärmt. Oder überschüssige Wärme, etwa von Solaranlagen oder Blockheizkraftwerken im Sommer, kann durch Geothermie im Boden gespeichert werden, bis sie im Winter gebraucht wird.
Tiefengeothermie in Deutschland
Soweit so gut – warum aber gibt es dann in Deutschland nicht mehr Tiefengeothermie? Genauer gesagt gibt es in Deutschland nur 40 wirkliche Tiefengeothermie-Anlagen. Das liegt insbesondere an den hohen Anfangsinvestitionen in Verbindung mit einem hohen Risiko. Denn erst eine Bohrung liefert Gewissheit, ob ein Standort geeignet ist. Geeignet heißt, dass etwa die Menge und Temperatur des dortigen Thermalwassers ausreichend ist.
Jahrelang waren Industrie und Politik der Meinung, Geothermie lohne sich wegen des Risikos und der Anfangsinvestitionen nicht. Nun, da Gas und Öl immer teurer werden, ändert sich diese Meinung. Sind die Anlagen erst einmal installiert, sind die Betriebskosten niedrig. Heute ist tiefe Geothermie durchaus wettbewerbsfähig.
Geothermie in Berlin sinnvoll?
Da der tiefe Untergrund Berlins zum Großteil unbekanntes Terrain ist, ist das Risiko jedoch hoch, dass eine Bohrung nicht erfolgreich ist. Sprich, dass sich die Stelle für Erdwärme-Gewinnung nicht eignet. Generell liegt Berlin aber günstig in Bezug auf die Nutzung von Geothermie. Das liegt daran, dass Berlin-Brandenburg im Norddeutschen Becken liegt. Über Millionen von Jahren hat sich die Erdkruste gesenkt – bis heute. Das Becken ist heute etwa 5000 Meter tief und hat sich im Laufe der Zeit mit Gebirgsschutt und Meeressedimenten Schicht für Schicht gefüllt. Darunter befinden sich Ablagerungen des Zechsteinmeers und Muschelkalkmeers. Entstanden ist ein geologisches Sediment-Sandwich mit wasserführenden Schichten. Und erhitztes Wasser ist genau das, was man durch die Bohrungen erhalten will.
Die Nutzung von Erdwärme wäre auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung: Gerade heizt die Bundeshauptstadt nämlich zu 90 Prozent mit Wärme, gewonnen aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdgas und Öl. Um Klimaneutralität wie geplant bis 2045 zu erreichen, muss sich etwas tun.
Geothermie hat deutschlandweit ein großes Potenzial, die Wärmewende wesentlich voranzubringen. Denn unter unseren Füßen ist es überall warm. Und das ganz unabhängig von der Jahreszeit – anders als bei Wind- oder Solarenergie.
Erste Bohrungen 2025
Das Potenzial hat auch Berlins Regierung erkannt: Insgesamt 13 potenzielle Standorte wurden technisch-geologisch untersucht. Drei Standorte, die für Probebohrungen infrage kommen, stehen inzwischen fest: die Urban Tech Republic, das Schumacher-Quartier auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel sowie das Fernheizwerk Neukölln und der Campus Berlin-Buch. Die ersten Bohrungen sollen 2025 stattfinden – in 4,5 Kilometern Tiefe. Das Wasser wäre dort über 100 Grad heiß. Eine Erkundungsbohrung in Berlin Adlersdorf gab es bereits.
Zuvor untersuchen sogenannte „Vibrations-Lkw“ die Gesteinsschichten Berlins. Die LKWs schicken Schallwellen in den Boden, Sensoren („Geofone“) zeichnen wiederum die Echos auf, die je nach Gestein variieren. Dadurch wird eine 3D-Grafik erstellt – die Grundlage für Bohrungen. 250 Quadratkilometer – ein Viertel des Stadtgebiets – sollen so untersucht werden. Erste Anlagen könnten in Berlin im Jahr 2028 in Betrieb gehen.
Eine Bohrung kostet übrigens zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro pro Kilometer. Der Berliner Senat hat für die drei Probebohrungen sechs Millionen Euro aus dem Innovationsfonds bereitgestellt.
Erdwärme im Berliner Umland
Ein gutes Beispiel dafür, dass Geothermie durchaus lohnenswert sein kann, findet sich in Potsdam: Die Geothermie-Bohrung war dort erfolgreicher als erhofft. Mit dem heißen Wasser aus der Tiefe können 6.900 Haushalte versorgt werden. Mehr als 20 Millionen kostete die erste Bohrung übrigens, die bis 2030 angepeilten acht weiteren Bohrungen kosten mindestens noch einmal 160 Millionen Euro.
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Titelbild: © Bundesverband Geothermie/ Philipp Spalek