Im Interview mit Dr. Jan-Niclas Gesenhues MdB
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen. Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.
Zu Gast: Im Interview mit Dr. Jan-Niclas Gesenhues MdB
Dr. Jan-Niclas Gesenhues absolvierte ein Master-Studium der Volkswirtschaftslehre, wobei er sich auf Umwelt- und Ressourcenökonomik spezialisierte. Im Anschluss promovierte er im Bereich internationale Umwelt- und Energiepolitik an der Universität Münster in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Erneuerbare Energien der Universität Maputo, Mosambik. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit den Treibern, Hindernissen und Optionen intelligenter Energiesysteme in Mosambik.
Von 2019 bis 2021 leitete er den Bereich Internationale Projekte bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf. Parallel dazu engagierte sich Gesenhues politisch, unter anderem als Mitglied des Landesvorstands der Grünen NRW von 2018 bis Juni 2022. Zuvor war er bereits Fraktionsvorsitzender im Kreistag Steinfurt sowie Vorsitzender des Umweltausschusses im Kreis Steinfurt. Seit September 2022 ist er zudem Vorsitzender des Bezirksverbands Grüne Westfalen.
Im Jahr 2021 wurde Jan-Niclas Gesenhues in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort fungierte er von Juli 2022 bis Februar 2024 als umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion und leitete die Arbeitsgruppe Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Seit Februar 2024 ist er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
energieheld: Herr Dr. Gesenhues, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch mit uns nehmen.
energieheld: Immer wieder hört man Umwelt- und Naturschutz bremsen Wachstum und wirtschaftliche Dynamik. Was können Sie dem entgegensetzen?
Dr. Jan-Niclas Gesenhues: Das Gegenteil ist der Fall. Wir brauchen die Natur für unsere Wirtschaft. Die Europäische Zentralbank hat vor Kurzem eine Studie dazu herausgegeben: 70 Prozent der Firmen im Euroraum sind von Leistungen der Natur abhängig. Die Natur ist also kein Bremser, sondern sie ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand. Laut Weltwirtschaftsforum sind ökologische Krisen unter den Top Fünf der größten Risiken für unsere Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren. Investitionen in unsere Natur sind also immer auch Investitionen in unseren Wohlstand.
Investitionen in unsere Natur sind immer auch Investitionen in unseren Wohlstand.
energieheld: Mit der im Juni verabschiedeten Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes soll der Ausbau Erneuerbarer Energien jetzt noch schneller werden. Wie soll das umgesetzt werden?
Dr. Jan-Niclas Gesenhues: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz stellt ja sicher, dass Mensch und Umwelt vor schädlichen Umwelteinwirkungen geschützt werden, zum Beispiel durch Industrieanlagen. Um genehmigt zu werden, müssen solche Anlagen deshalb viele Voraussetzungen erfüllen. Mit der Reform digitalisieren und vereinfachen wir jetzt die Genehmigungsverfahren für Erneuerbare Energien und räumen so Hürden für den Ausbau der Windkraft aus dem Weg. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass der Schutz von Mensch und Natur nicht abgeschwächt wird. Neu ist außerdem, dass wir das Klima als eigenes Schutzgut im Gesetz verankert und so den Klimaschutz deutlich gestärkt haben.
Damit das Gesetz seine volle Wirkung entfaltet, müssen wir Klimaschutz in Zukunft konsequent priorisieren. Das heißt, Klimaschutz-Projekte müssen auf dem Stapel ganz oben liegen – und natürlich brauchen wir auch ausreichend Personal.
energieheld: Was hat sich denn schon getan in Sachen Ausbau Erneuerbarer Energien in den letzten Jahren?
Dr. Jan-Niclas Gesenhues: Wir haben seit Antritt dieser Bundesregierung riesengroße Fortschritte gemacht und einen Rekord nach dem anderen gebrochen. Der Anteil der Erneuerbaren Energien ist so hoch wie nie zuvor. Im ersten Halbjahr 2023 lag der Anteil noch bei 53 Prozent. Ein Jahr später ist er bereits auf 65 Prozent geklettert.
Gleichzeitig ist der Anteil von Kohlestrom weiter zurückgegangen, von 27 Prozent auf rund 21 Prozent. Das ist ein wichtiger Schritt für unser Klima und für unsere Unabhängigkeit von Rohstoffen und Despoten wie Putin.
Gleichzeitig stellt das Bundesumweltministerium sicher, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien auch naturverträglich abläuft. Mit dem Nationalen Artenhilfsprogramm fördern wir zum Beispiel gezielt Schutzprojekte für Vögel und andere Arten, die besonders vom Ausbau der Erneuerbaren betroffen sind. Auch beim Solarpaket haben wir finanzielle Anreize gesetzt, um den Solarausbau mit Naturschutzprojekten zu kombinieren.
energieheld: Wie kann man mehr Menschen – insbesondere jüngere Menschen – dazu motivieren, sich für den Umweltschutz einzusetzen?
Dr. Jan-Niclas Gesenhues: Der Generationswechsel ist eine große Herausforderung für die Umweltbewegung und die Umweltbehörden. Aber es ist eine, die wir unbedingt anpacken müssen, wenn wir einen schlagkräftigen und offensiven Umweltschutz wollen.
Wir brauchen sie alle: Menschen, die Aktivismus können und Personen, die schon seit Jahrzehnten Feldvögel kartieren, Rampensäue und Nerds, alt und jung.
Die Klimaschutzbewegung hat gezeigt, wie es gehen kann. Sie hat Millionen junge Menschen für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen motiviert – mit einer starken Kampagnenfähigkeit, mit spontanen, aktivistischen Formaten. Die Bewegung ist vielfältig, offen und breit aufgestellt, getragen auch von vielen jungen Frauen. Ein erfolgreicher Klima- und Umweltaktivismus muss breite Bündnisse schmieden. In den Naturschutzorganisationen, aber auch in den sozialen Medien gibt es echte Naturschutz-Influencer, die mit ihren Inhalten sehr viele Leute erreichen. Wir brauchen sie alle: Menschen, die Aktivismus können und Personen, die schon seit Jahrzehnten Feldvögel kartieren, Rampensäue und Nerds, alt und jung.
energieheld: Was hat Sie damals motiviert, sich für den Umweltschutz einzusetzen?
Dr. Jan-Niclas Gesenhues: Seit meiner Kindheit habe ich viel Zeit in den Wäldern und Wiesen rund um meine Heimatstadt Emsdetten verbracht, gemeinsam mit meinem Opa. Diese Ausflüge haben einen Funken in mir entzündet, der bis heute brennt: Die Wertschätzung für eine vielfältige und intakte Natur. Ich bin sehr dankbar, dass ich für diese Leidenschaft jeden Tag arbeiten kann.
Fazit
Der Schutz der Natur und der Ausbau erneuerbarer Energien sind entscheidend für eine nachhaltige und unabhängige Wirtschaft. Mit der Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wurden wichtige Schritte zur Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und der Vereinfachung von Genehmigungsverfahren unternommen, ohne dabei den Schutz von Mensch und Natur zu vernachlässigen.
Dennoch gibt es noch viel zu tun: Der Ausbau der Infrastruktur für Erneuerbare Energien muss weiter vorangetrieben werden, auch die Forschung und Entwicklung innovativer Speichertechnologien muss intensiviert werden, um die stetig wachsende Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien effizient nutzen zu können.
Eine weitere Herausforderung ist der Generationswechsel. Eine Herausforderung, die es laut Dr. Jan-Niclas Gesenhues anzupacken gilt, wenn wir einen schlagkräftigen und offensiven Umweltschutz wollen.
Bildverzeichnis
Titelbild: © BMUV/Sascha Hilgers