Im Interview mit Jan Peter Hinrichs vom Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle e.V.
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt Energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen. Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.
Zu Gast: Jan Peter Hinrichs
Jan Peter Hinrichs ist studierter Holztechnikingenieur und ausgebildeter Zimmerer. Von 2005 bis 2012 war er in verschiedenen Positionen beim Fraunhofer-Institut für Bauphysik tätig. Anschließend übernahm er von 2013 bis 2016 die Leitung der Geschäftsstelle der Fraunhofer-Allianz Bau. Seit 2016 ist er Geschäftsführer des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle e.V. (BuVEG).
Der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle e.V. – kurz BuVEG – vertritt alle Gewerke der Baubranche, die bei Neubau, Renovierung oder Sanierung einer energieeffizienten Gebäudehülle mitwirken. Der Verband vertritt die Interessen seiner Mitglieder, Verbände und Hersteller von Bauprodukten, und unterstützt die Entwicklung zukunftsweisender Lösungen für einen klimaneutralen Gebäudebestand. Der BuVEG setzt sich, auf Basis von wissenschaftlichen Studien, vor allem für eine höhere Sanierungsquote und bessere politische Rahmenbedingungen zur Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor ein und geht dafür in den Austausch mit Politik, relevanten Verbänden, Medien und NGOs.
energieheld: Herr Hinrichs, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch mit uns nehmen.

Sanierungsquote in Deutschland
energieheld: Die Sanierungsquote in Deutschland ist mit 0,69 Prozent pro Jahr sehr niedrig – vor allem im Vergleich zu den Klimazielen der Bundesregierung. Wie können Sie sich die geringe Sanierungsquote erklären?
Jan Peter Hinrichs: Die geringe Sanierungsquote in Deutschland lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. Zunächst einmal herrscht unter Immobilienbesitzern eine große Verunsicherung bezüglich der tatsächlichen Kosten und des Nutzens von Sanierungsmaßnahmen. Die meist unsachliche Diskussion in der Öffentlichkeit zum Gebäudeenergiegesetz, auch Heizungsgesetz genannt, hat dies noch einmal verstärkt. Es fehlen meist klare Informationen über die verschiedenen Möglichkeiten der energetischen Sanierung, die effektivsten Maßnahmen und deren langfristige Vorteile. Hausbesitzer fühlen sich oft überfordert und wissen nicht, wo sie anfangen sollen.
Hausbesitzer fühlen sich oft überfordert und wissen nicht, wo sie anfangen sollen.
Zudem spielt die wirtschaftliche Lage eine entscheidende Rolle. In unsicheren Zeiten zögern viele Eigentümer, größere Investitionen zu tätigen, selbst wenn sie wissen, dass eine Sanierung langfristig sinnvoll wäre.
Außerdem gibt es auch psychologische Barrieren. Viele Menschen haben eine Abneigung gegen Bauarbeiten im eigenen Zuhause und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten. Die Vorstellung, dass ihre Wohnsituation für längere Zeit beeinträchtigt wird, kann sie davon abhalten, notwendige Sanierungen in Angriff zu nehmen.
Schließlich ist auch das Bewusstsein für die Dringlichkeit von energetischen Sanierungen für die Erreichung der gesetzten Klimaziele in der breiten Bevölkerung noch nicht ausreichend ausgeprägt.
energieheld: Wie bewerten Sie denn die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen für die Förderung energieeffizienter Sanierungen?
Jan Peter Hinrichs: Die politischen Rahmenbedingungen für die Förderung energieeffizienter Sanierungen sind derzeit leider nicht optimal ausgestaltet. Es gibt zwar zahlreiche Förderprogramme, durch die die Sanierungsquote erhöht und der CO2-Ausstoß reduziert werden soll. Diese Programme sind wichtig, da sie finanzielle Anreize bieten und die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen erleichtern. Jedoch wurde in den letzten Jahren der Fokus auf die Umrüstung auf erneuerbares Heizen gelegt und dort höhere Fördersätze vergeben als bei der Umsetzung von energetischen Maßnahmen an der Gebäudehülle.
Ein weiteres Problem ist die undurchsichtige Förderlandschaft. Vielen Hausbesitzern ist nicht klar, welche Programme es zu welchen Bedingungen gibt. Zudem ist der Bürokratie-Aufwand ebenso eine Hürde. Eine klare, langfristige und transparente Politik wäre wünschenswert, um sowohl Investoren als auch Immobilienbesitzern Planungssicherheit zu geben.
Ein weiteres effektives Instrument wäre, die steuerliche Abschreibung von energetischen Sanierungsmaßnahmen für „Normalverdiener“ zu verbessern und die Förderung für einkommensschwache Haushalte anzuheben, also die Fördersumme an die wirtschaftliche Situation der Antragssteller anzupassen.
Bedeutung der Gebäudehülle für Energieeffizienz & Wirtschaftlichkeit
energieheld: Sie sprechen davon, dass energetische Maßnahmen an der Gebäudehülle nicht genug gefördert werden. Welche Vorteile hat die energieeffiziente Gebäudehülle?
Jan Peter Hinrichs: Eine energieeffiziente Gebäudehülle bietet eine Vielzahl von Vorteilen, sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht. Zunächst einmal verbessert eine gute Dämmung und der Austausch veralteter Fenster die Energieeffizienz eines Gebäudes erheblich. Dies führt zu niedrigeren Heizkosten, was in Zeiten steigender Energiepreise für viele Eigentümer ein entscheidender Faktor ist. Blickt man auf die geplante Einführung des europäischen Emissionshandels für Brennstoffe (EU-ETS 2), sind energetisch schlechte Gebäude von den Preissteigerungen besonders betroffen. Im schlechtesten Fall kann das mehrere Tausend Euro zusätzliche Kosten im Jahr bedeuten.
Darüber hinaus trägt eine gute Gebäudehülle zur Verbesserung des Wohnklimas bei. Sie minimiert Temperaturschwankungen und sorgt dafür, dass die Räume im Winter warm und im Sommer kühl bleiben. Dies erhöht den Wohnkomfort und kann auch gesundheitliche Vorteile mit sich bringen, da eine gute Gebäudehülle Schimmelbildung vorbeugt.
Ein weiterer Vorteil ist die Wertsteigerung der Immobilie. In unserer Untersuchung, die wir zuletzt im Jahr 2023 mit Immoblienscout24 durchgeführt haben, erzielten energieeffiziente Immobilien bis zu 33 Prozent höhere Marktpreise.
energieheld: Laut Bauministerin Klara Geywitz hätten immer schärfere Dämmvorschriften das Bauen aber sehr teuer gemacht. Ob die Kosten für Dämmung in einem sinnvollen Verhältnis zur eingesparten Energie stünden, sei fraglich. Was sagen Sie dazu?
Jan Peter Hinrichs: Ich freue mich, hierzu Stellung nehmen zu können. Denn die Behauptung von der Bauministerin Geywitz ist schlichtweg falsch. Es gibt keine direkten Anforderungen an Dämmung, sondern nur an Bauteile im Gebäudeenergiegesetz (GEG). Die Anforderungen an Bauteile wurden für Neubau vor über 10 Jahren und für Bestandsgebäudegebäude vor über 15 Jahren letztmalig angepasst.
Bei jeder Modernisierungsmaßnahmen wird Energie eingespart, dies schützt vor volatilen Energiepreisen und spart damit Kosten. Die Festlegung, welcher Standard wirtschaftlich ist, wird durch aufwendige Berechnungen und Gutachten im Bundeswirtschaftsministerium festgelegt.
Langfristige Planungssicherheit als Schlüssel zur Sanierungswende
energieheld: Wenn Sie eine Botschaft an politische Entscheidungsträger richten könnten, was wäre Ihre wichtigste Forderung?
Jan Peter Hinrichs: An die neue Bundesregierung möchte ich appellieren, dass Immobilieneigentümer und auch die Baubranche langfristige Planungssicherheit benötigt. Nur mit verlässlichen Förderbedingungen lässt sich der derzeitigen Verunsicherung und dem Attentismus entgegenwirken. Auch für die Stabilität der Branche ist Planungssicherheit unerlässlich.
energieheld: Und welchen Tipp würden Sie einem Immobilienbesitzer geben, der mit dem Gedanken spielt, zu sanieren?
Jan Peter Hinrichs: Wenn ein Immobilienbesitzer mit dem Gedanken spielt, sein Haus energetisch zu sanieren, würde ich ihm als Erstes die Energieberatung und die Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans ans Herz legen.
Die Energieberatung ist ein entscheidender Schritt, um sich ein detailliertes Bild zum energetischen Zustand der Immobilie zu machen. Der Energieberater nimmt das Haus genau unter die Lupe und erstellt eine individuelle, fundierte Analyse. Er bewertet die Schwachstellen in der Gebäudehülle und den technischen Anlagen.
Wenn ein Immobilienbesitzer mit dem Gedanken spielt, sein Haus energetisch zu sanieren, würde ich ihm als Erstes die Energieberatung und die Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans ans Herz legen.
Basierend auf dieser Analyse wird er den individuellen Sanierungsfahrplan erstellen, also maßgeschneiderte Empfehlungen geben, welche Maßnahmen die besten Einsparpotenziale bieten und was am besten in welcher Reihenfolge passieren sollte. Hierbei wird auch berücksichtigt, welche Investitionen sich langfristig durch geringere Betriebskosten auszahlen und welche Maßnahmen eventuell weniger effektiv sind. Diese professionelle Beratung hilft bei dem Setzen der richtigen Prioritäten.
Fazit
Die energetische Sanierung von Gebäuden ist einer der entscheidenden Hebel für den Klimaschutz – und gleichzeitig eine große Chance für Immobilienbesitzer. Doch es gibt noch viele Hürden: Unsicherheit, bürokratische Hürden und eine fehlende langfristige Strategie in der Politik bremsen die Sanierungsquote aus.
Dabei sind die Vorteile offensichtlich: Eine energieeffiziente Gebäudehülle senkt nicht nur die Heizkosten, sondern steigert auch den Wohnkomfort und den Immobilienwert. Wer jetzt handelt, schützt sich vor steigenden Energiepreisen und macht sein Zuhause fit für die Zukunft.
Doch wo anfangen? Der wichtigste Schritt ist eine professionelle Energieberatung. Mit einem individuellen Sanierungsfahrplan erhalten Eigentümer eine klare Strategie, welche Maßnahmen sich am meisten lohnen – wirtschaftlich und ökologisch.
Die Politik ist gefordert, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Doch Warten ist keine Lösung. Wer jetzt aktiv wird, profitiert nicht nur langfristig finanziell, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.