Interview: Photovoltaikexperte Franz Alt
In regelmäßigen Abständen interviewt energieheld Experten aus den verschiedensten Bereichen der erneuerbaren Energien, der Energiewende und dem Klimaschutz. Zu den Interviewten gehören Journalisten, Politiker, Blogger, Verbraucherschützer, Sprecher der Bundesministerien und viele mehr. Diverse wichtige Punkte zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen, ein Ausblick auf Trends wird geben sowie Tipps dazu, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann.
Start der Interview-Reihe:
energieheld fragt – Experten antworten
Die Reihe startet mit dem Photovoltaik Experten Franz Alt. Franz Alt, geboren 1938, hat Politische Wissenschaften, Geschichte, Philosophie und Theologie studiert. Bekannt geworden ist Franz Alt durch das von ihm moderierte Politmagazin „Report“ im SWR. Dort war er von 1992 bis 2003 verantwortlich für die Zukunftsredaktion. Zusätzlich moderierte er noch die 3Sat Sendungen „Querdenker“ und „Grenzenlos“. Eine besondere Ehrung wurde Franz Alt zuteil, als er den ersten Deutschen Solarpreis (1994) erhielt. Dem folgten weitere zahlreiche Ehrungen u. a. der Europäische Solarpreis (1997) und der Umweltpreis der Deutschen Wirtschaft (2004). Neben den Tätigkeiten als Moderator ist Franz Alt auch Autor. Das letzte Buch erschien im März 2013 unter dem Titel „Auf der Sonnenseite – Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“. Um auf dem Laufenden zu bleiben, bietet er auf seiner Homepage Informationen zu den Themen solares Bauen, Klimawandel und Klimapolitik.
Beginn des Interviews
energieheld: Guten Tag Herr Alt. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben uns einige Fragen zu beantworten. Fangen wir gleich an. Was ist das größte Säumnis der Regierung bei der Energiewende? Oder wo wurde gar der falsche Weg eingeschlagen?
Franz Alt: Die große Koalition bremst zurzeit bei der Energiewende. Aber der Klimawandel schreitet so rasch voran, dass wir die Wende beschleunigen sollten. Das ist nötig und das ist möglich.
energieheld: Und die größte Errungenschaft der Regierung innerhalb der Energiewende?
Franz Alt: Die größte Errungenschaft bei der Energiewende in Deutschland war das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000. Über 70 Länder haben dieses Gesetz in seiner Intention übernommen. Aber nicht die Regierung, sondern das Parlament hat das Gesetz eingebracht und beschlossen. Zum Teil gegen den Willen der Regierung.
Mit Energieeffizienz gegen den Klimawandel?
energieheld: Wieso wird der allgemeine Aspekt der Energieeffizienz im Vergleich zu Arten der Stromerzeugung (Kohle, Atom, etc.) eine so untergeordnete Rolle beim Kampf gegen den Klimawandel eingeräumt?
Franz Alt: Energieeffizienz und Energiesparen sind die großen vernachlässigten Themen bei der Energiewende. Neue Solaranlagen und Windräder geben einfach die schöneren Bilder her. Solar ist sexy und ein Windrad kann schön sein. Ich weiß als Fernsehjournalist wovon ich rede. Politik und Medien haben die Effizienz-Potentiale zu lange vernachlässigt. Richtig ist aber auch, dass wir bei aller möglichen Effizienz am Schluss alle Energie, die wir noch brauchen, zu 100 Prozent erneuerbar produzieren müssen. Effizienz allein reicht eben nicht, weil alle alten Energieträger rasch zu Ende gehen. Heute verbrennen wir an einem Tag, woran die Natur eine Million Tage gearbeitet hat. Das ist das eigentliche Energie-Problem und die Ursache des Klimawandels.
energieheld: Ist PV-Strom tatsächlich „Grüner Strom“? Immerhin wird ein Großteil der Solarzellen und Module in China gefertigt und Umwelt- sowie Sozialstandards sind dort schwer zu kontrollieren. Die bei der Produktion eingesetzte Energie stammt außerdem auch aus „dreckigen“ Kohlekraftwerken. Ist PV-Strom unter diesen Aspekten noch ökologisch?
Franz Alt: Natürlich ist PV-Strom grün und umweltfreundlich. Per Schiff ist der Transport wenig energieaufwendig, ebenso die Produktion. Eine heutige Solarzelle können Sie bis zu fünfmal recyceln. Eine moderne PV-Anlage hat nach etwa 18 Monaten so viel Energie produziert wie notwendig war, um sie herzustellen. Aber diese Anlage läuft bis zu 40 Jahren.
Die EEG Umlage, ein Auslaufmodell?
energieheld: Kann mit einer Effizienzsteigerung der PV-Anlagen gerechnet werden, welche die PV auch im deutschen Markt ohne Subventionen konkurrenzfähig macht? Also wäre ein PV-Markt ohne EEG-Umlage denkbar und absehbar?
Franz Alt: Vor zehn Jahren wurden Wirkungsgrade von über 20 Prozent für utopisch gehalten. Heute sind wir weit darüber. In wenigen Jahren brauchen wir keine Einspeise-Vergütung mehr. Es ist absehbar, dass die alten Energien immer teurer und die erneuerbaren immer preiswerter werden. Schreiben Sie doch die Trends der letzten 15 Jahre nochmal um 15 Jahre fort, dann wissen Sie, wem die Zukunft gehört.
„Deutschland ist erneuerbar, Europa ist erneuerbar, die Welt ist erneuerbar.“
energieheld: Was ist der wirkliche Grund für sinkende Modulkosten? Hängt es zum Beispiel mit der allgemeinen technologischen Entwicklung, der günstigen Produktion in China oder den weltweit steigenden Produktionskapazitäten zusammen?
Franz Alt: Natürlich senkt die chinesische Konkurrenz die Kosten für den Solarstrom. Konkurrenz drückt immer den Preis. In erster Linie war es aber die Massenproduktion, die durch das EEG in Gang gesetzt wurde – und zwar weltweit. Über 70 Länder haben in der Intention das deutsche EEG übernommen.
Teurer Strom aus Photovoltaik-Anlagen?
energieheld: Wo sehen Sie die Grenze der Strom-Gestehungskosten bei der Photovoltaik in Deutschland? Wie günstig könnte PV-Strom werden?
Franz Alt: Im Jahr 2000 kostete die Produktion einer KWh Solarstrom hierzulande noch etwa 70 Cent. Heute noch acht bis neun Cent. 2025 werden wir bei etwa fünf Cent sein. Das ist dann unschlagbar preiswert, vor allem deshalb weil Solarstrom keine Folgekosten wie Atomstrom oder Kohlestrom mit sich bringt. In Afrika oder Ländern wie Chile mit weit höherer Sonneneinstrahlung als bei uns, kann Solarstrom schon heute für vier Cent produziert werden. Mein Vorschlag für die derzeitige EEG-Umlage in Deutschland: Da die künftigen Generationen stark von der Energiewende profitieren, sollten sie auch an den Kosten beteiligt werden. Klaus Töpfer hat dafür einen Zukunftsfonds vorgeschlagen. Statt der jetzigen 6,24 Cent pro kWh könnte die EEG-Zulage dann auf etwa vier Cent begrenzt werden.
energieheld: Ist die Technik der Stromspeicherung für Besitzer von Photovoltaikanlagen in Zukunft interessant? Wie wird sich diese Technik noch entwickeln?
Franz Alt: Nicht erst in Zukunft. Wenn Sie heute eine Photovoltaik-Anlage installieren, ist das Speichern schon jetzt interessant und erst recht morgen.
Die Solarwirtschaft in 20 Jahren?
energieheld: Wo sehen Sie die deutsche Solarwirtschaft in 20 Jahren? Wie hoch wird der Anteil von PV-Strom am Gesamtstrommarkt sein?
Franz Alt: Vielleicht bei 40 oder 50%. Das hängt weitgehend von den künftigen politischen Rahmenbedingungen ab. Die Sonne hat natürlich das größte Potential an Energie und das noch mehr als vier Milliarden Jahre, sagen die Astrophysiker. Sie haben auch errechnet, dass uns die Sonne jede Sekunde unseres Hierseins etwa 15.000 mal mehr Energie zur Verfügung stellt als zurzeit alle Menschen verbrauchen. Von Natur aus gibt es gar kein Energieproblem. Der liebe Gott war nicht doof und die Evolution war nicht blöd. Alle Menschen können alles haben, was sie für ein gutes Leben brauchen.
„Wenn wir gut sind, dann muss auf dieser Erde bald kein Kind mehr verhungern.“
Die Voraussetzungen für eine bessere Welt sind da. Wir nutzen sie nur leider noch nicht. Wir können mit Hilfe der erneuerbaren Energien den Hunger ins Museum der Geschichte stellen. Aber die derzeitige Berliner Politik wird von Bedenkenträgern organisiert, die abhängig sind von der alten Energiewirtschaft, die natürlich um ihre Pfründe zittert. Verfilzt und zugenäht! In Berlin verwechselt Sigmar Gabriel die Energiewende mit einer Kohlewende. Er ist der Erzengel Gabriel der Kohlewirtschaft.
Die Möglichkeiten der Energiegewinnung über die Sonne sind nahezu unbegrenzt. Über eine Milliarde Dächer stehen weltweit noch immer umsonst in der Gegend herum und werden solar noch nicht genutzt, obwohl die Sonne auf jedes Dach scheint. Das gilt auch für über 90 % der Dächer und Gebäude in Deutschland. Stattdessen holen wir Öl aus Arabien, Gas aus Sibirien, Uran aus Südafrika und Kohle aus Australien hierher und geben dafür jedes Jahr über 100 Milliarden Euro aus. Die Sonne aber schickt uns keine Rechnung. Solarenergie ist ein Geschenk des Himmels wie die Windkraft. Erst wenn dieser unschlagbare ökonomische Vorteil der künftigen ökologischen Energieversorgung voll verstanden wird, erleben wir den wirklichen Durchbruch für eine rasche Energiewende. Ich hoffe, dass dieser Zeitpunkt nicht mehr lange auf sich warten lässt.
energieheld: Welche Entwicklungen erwarten uns im Solarbereich noch? Gibt es schon interessante Trends?
Franz Alt: Es gibt seit Jahren immer bessere Wirkungsgrade von PV. Dieser Prozess ist noch nicht am Ende. Es gibt immer mehr und effektivere Speichermöglichkeiten. Die ersten Deutschen richten ihre Anlage schon nach Norden aus und erzielen dabei bis zu 80% der Ernte nach Süden oder Südwesten. Die Batterien werden immer effizienter und preiswerter. Das Solarauto bietet künftig eine Speichermöglichkeit für den Haushaltstrom bei Nacht. Die ganz große Speichermöglichkeit in der Zukunft heißt Power-to-gas. Das heißt: Überschuss-Strom aus Photovoltaik-Anlagen bei starkem Sonnenschein wird in Wasserstoff umgewandelt und ins Gas-Netz eingespeist. Fraunhofer-Fachleute gehen davon aus, dass so mit dem heute vorhandenen Gas-Netz Ökostrom bis zu drei Monaten gespeichert werden kann.
energieheld: Herr Alt, das waren wirklich ein paar sehr spannende Einblicke in die Welt der Photovoltaik und dessen Zukunft. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Interview genommen haben!
Abschließen möchten wir dieses Interview mit folgendem kurzen Video:
Bildverzeichnis: Diverse Bilder von © Franz Alt zur Verfügung gestellt