Interview: Ecosia – die Suchmaschine, die Bäume pflanzt
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen.
Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. Anschließend wird ein Ausblick auf Trends sowie Tipps gegeben, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.
Heute im Interview: Jacey Bingler von Ecosia
Die Ecosia GmbH aus Berlin betreibt eine ökologische Suchmaschine. Ecosia ging 2009, anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen in Betrieb. Das Unternehmen spendet 80 Prozent seines Gewinns an gemeinnützige Naturschutzorganisationen. Seit Ende 2014 unterstützt Ecosia das Projekt „Greening the Desert“ in Burkina Faso, im Rahmen dieses Projektes sollen eine Milliarde Bäume gepflanzt werden.
Themen in diesem Interview:
- Ecosia – mit einer Suchmaschine Bäume pflanzen
- Ecosia und der Klimawandel oder warum Bäume ein Land retten können
- Die Zukunft liegt im alltäglichen Kampf
- Energiesparen im Alltag – weniger radikal ist mehr
Ecosia – mit einer Suchmaschine Bäume pflanzen
Wir spenden jedoch mindestens 80 Prozent unseres monatlichen Gewinns aus diesen Werbeeinnahmen an ein Aufforstungsprojekt. Das sind im Monat zwischen 50.000 und 80.000 Euro. So konnten wir bisher insgesamt schon die Pflanzung von 4 Millionen Bäumen finanzieren.
energieheld: Hallo Jacey. Vielen Dank, dass Du dir Zeit für uns genommen hast.
Jacey (Ecosia): Klar doch!
energieheld: Ihr habt die historische Schwelle von drei Millionen Bäumen geknackt – Gratulation! Wir haben das mal ausgerechnet. Wenn ihr eine Milliarde Bäume pflanzen wollt, dauert das noch 666 Jahre. Habt ihr eine Idee, wie sich euer Vorhaben noch beschleunigen lässt?
Jacey (Ecosia): Gottseidank haben wir da mehrere Möglichkeiten im Auge, 666 Jahre wollen wir nicht warten müssen. Uns ist wichtig den Leuten zu zeigen, dass es Alternativen zum Marktführer gibt. Nur weil eine Suchmaschine auf einem Gerät oder in einem Browser vorinstalliert ist, heißt das nicht, dass man als Nutzer keine andere Wahl hat.
Wir merken immer mehr, wie viele Menschen sich von Google abwenden und auf Werkzeuge wie Ecosia umsatteln. Einfach weil wir zur reinen Dienstleistung einen Mehrwert bieten, den andere nicht bieten können: suchen und gleichzeitig Wiederaufforstung betreiben.
Wenn dieser Trend sich so weiterentwickelt wie bisher, werden aus den 666 Jahren ganz schnell viel weniger.
Außerdem ließe sich das Prinzip Dienstleistung mit karitativem Mehrwert ja auch auf andere Produkte anwenden. Auch wenn wir uns im Moment auf die Suche konzentrieren, werden wir in Zukunft vielleicht noch mehr coole Tools entwickeln, die Nutzern erlauben ohne großen Aufwand oder zusätzliche Kosten im Alltag zu spenden.
energieheld: Kannst Du uns noch ein bisschen mehr über das aktuelle Projekt „Greening the Desert“ verraten? Warum gerade Burkina Faso?
Jacey (Ecosia): Wir haben sehr lange nach einem neuen Aufforstungsprojekt gesucht und uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Was uns an dem Projekt in Burkina Faso vor allem überzeugt hat, war die Tatsache, dass die gepflanzten Bäume dort so viel mehr bewirken als “nur” dem Klimawandel entgegenzuwirken und den Wasserzyklus wieder in Gang zu bringen.
Durch das Pflanzen von Bäumen kann man über wenige Jahre ganze Landstriche von Wüste zurück in fruchtbare Ackerwälder verwandeln. Dadurch können die Menschen vor Ort nachhaltige Landwirtschaft betreiben.
Sie pflanzen nicht nur Bäume, sondern Futter für ihr Vieh, Obst, Saaten und Gemüse für den eigenen Verzehr. Was sie nicht brauchen, verkaufen sie auf den lokalen Märkten. Das stärkt die Wirtschaft und politische Situation vor Ort und schafft unabhängige Einnahmequellen.
Kinder können wieder zur Schule gehen, anstatt der Familie zu helfen den Lebensunterhalt zu bestreiten. Durch die vielseitigere Ernährung wird auch die Gesundheit der Menschen verbessert.
Nachhaltige Forstwirtschaft schafft sichere Arbeitsplätze und die Familien müssen auf der Suche nach einem gesicherten Lebensunterhalt nicht ständig durch die Wüste ziehen.
energieheld: Warum wurde Ecosia gegründet und wie kamt ihr auf den Namen?
Jacey (Ecosia): Nach seinem BWL-Studium reiste unser Gründer Christian um die Welt, auf der Suche nach Inspiration für ein Tool, das sowohl Nutzern als auch der Gemeinheit Gutes tun sollte.
Zuerst arbeitete er in Nepal an einer Suchmaschine, die mit ihren Werbeeinnahmen lokale NGO (Anmerkung d. Red. „Nicht-Regierungs-Organisationen“)-Projekte finanzieren sollte. Unregelmäßige Stromversorgung und Internetzugang brachten das Projekt zu einem baldigen Ende.
Christian reiste weiter nach Südamerika und lernte dort viel über die Wiederaufforstung des atlantischen Regenwaldes und über die Rolle, die Bäume im Kampf gegen den Klimawandel spielen.
Die Idee für eine Bäume pflanzende Suchmaschine, mit der die Nutzer das weltweite Ökosystem – zu Englisch „ecosystem“ – unterstützen können sollten, war geboren. Im Winter 2009 ging Ecosia schließlich an den Start.
energieheld: Was ist die Geschäftsidee von Ecosia und mit welchen Firmen kooperiert ihr dafür?
Jacey (Ecosia): Die Idee ist ganz einfach. Wie eigentlich alle Suchmaschinen verdient Ecosia über die Ausspielung von Werbeanzeigen neben den regulären Suchergebnissen Geld. Sobald Nutzer auf eine Anzeige klicken und damit zur Seite des Werbetreibenden weitergeleitet werden, werden Suchmaschinen von den Werbetreibenden bezahlt.
Da wir mit Bing kooperieren und deren Suchergebnisse und Anzeigen nutzen, bezahlt uns in diesem Fall Bing. Bis dahin ist an diesem Prozess nichts besonders.
Wir spenden jedoch mindestens 80 Prozent unseres monatlichen Gewinns aus diesen Werbeeinnahmen an ein Aufforstungsprojekt. Das sind im Monat zwischen 50.000 und 80.000 Euro. So konnten wir bisher insgesamt schon die Pflanzung von 4 Millionen Bäumen finanzieren.
energieheld: Ihr bezeichnet euch als Social-Business. Kannst Du das näher beschreiben?
Jacey (Ecosia): Wir sind keine Non-Profit Organisation oder NGO, sondern ein Unternehmen, das durchaus auf Gewinnmaximierung aus ist.
Jedoch um damit einen guten Zweck zu unterstützen. Das heißt, wir messen unseren Erfolg nicht in Einnahmen, sondern in gepflanzten Bäumen. Unser Ziel ist es nicht bis zu einem gewissen Zeitpunkt einen bestimmten Firmengegenwert zu erzielen, sondern eine Milliarde Bäume zu pflanzen.
Wir bieten ein Produkt an, das unseren Nutzern erlaubt durch alltägliche Handlungen Gutes zu tun. Diese Kombination aus nützlichem Werkzeug und finanzieller Unterstützung für einen guten Zweck ist für uns “Being a Social Business”.
Ecosia und der Klimawandel oder warum Bäume ein Land retten können
Klimawandel ist ein sehr abstrakter Begriff, der vielen Menschen das Gefühl gibt, alleine nichts ausrichten zu können.
energieheld: Wir von energieheld wollen in Deutschland die Energiewende mit voran bringen. Wie ist das bei euch? Ihr vermeidet auf eurer Webseite den Begriff Klimawandel. Hat das einen bestimmten Grund?
Jacey (Ecosia): Mitnichten. Unser Ziel bis 2020 eine Milliarde neuer Bäume zu pflanzen ist aus dem Bestreben gewachsen der weltweiten Abholzung entgegenzuwirken. Bäume spielen im Kampf gegen den Klimawandel eine entscheidende Rolle, da sie CO2 umwandeln und speichern können.
Klimawandel ist ein sehr abstrakter Begriff, der vielen Menschen das Gefühl gibt, alleine nichts ausrichten zu können. Wir möchten auf unserer Seite zeigen, wie Bäume zu pflanzen lokale Ökosysteme beeinflussen, Gemeinden ernähren und politische Situationen stärken kann.
Diese greifbareren Dinge machen es einem einfacher den großen Zusammenhang zu sehen. Kurz: Wenn man die Wüste begrünen kann, dann kann man auf lange Sicht auch dem Klimawandel entgegenwirken.
energieheld: Warum gerade Bäume? Gibt es nicht effektivere Maßnahmen für den Klimaschutz z. B. Energieeffizienz?
Jacey (Ecosia): Es gibt viele gute Ansätze und Maßnahmen dem Klimawandel entgegenzuwirken. Bäume zu pflanzen ist nur eine davon, jedoch eine, mit der man noch so viel Zusätzliches bewirken kann.
Wer Bäume pflanzt, kann ganze Gemeinden ernähren, das Ökosystem nachhaltig stärken und politische Situationen entschärfen. Außerdem sind Bäume etwas sehr Greifbares.
Die Zukunft liegt im alltäglichen Kampf
energieheld: Habt ihr eine nachhaltige Zukunftsprognose für uns?
Jacey (Ecosia): Wir glauben, dass die Zukunft Unternehmen und Produkten gehört, die einen Mehrwert bieten und mit ihren Gewinnen soziale und Umweltprojekte unterstützen.
Mehr und mehr Menschen verstehen, dass es Alternativen gibt und dass wir in Zukunft gar nicht darum herumkommen werden, aus alltäglichen Tätigkeiten Kapital zu schlagen und damit einen guten Zweck zu unterstützen.
Es gibt bereits richtig viele coole Ideen, und es werden wohl hoffentlich kommen immer mehr dazu.
Energiesparen im Alltag – weniger radikal ist mehr
Wer nicht zu radikal versucht der Nachhaltigkeit zuliebe sein Leben auf den Kopf zu stellen, wird länger Spaß an Alternativen haben und somit auf Dauer mehr zu einer nachhaltigen Welt beitragen.
energieheld: Hast du drei persönliche Tipps für uns, wie unsere LeserInnen einen nachhaltigen Lebensstil erreichen können?
Jacey (Ecosia): Nach Alternativen suchen. Gibt es einen Dienstleister oder ein Produkt, das nachhaltig hergestellt, fair gehandelt oder regional produziert wird? Ist das Unternehmen ein Social Business, also nutzt es einen Teil seiner Einnahmen um wohltätige Projekte zu unterstützen?
Außerdem ist wohl wichtig nicht zu streng mit sich zu sein und sich von einen Tag auf den anderen rigoros Dinge zu verbieten, die einem bisher lieb waren. Wer nicht zu radikal versucht der Nachhaltigkeit zuliebe sein Leben auf den Kopf zu stellen, wird länger Spaß an Alternativen haben und somit auf Dauer mehr zu einer nachhaltigen Welt beitragen.
Zu guter Letzt: Nicht aufgeben, nur weil man das Gefühl hat, alleine ohnehin nichts ausrichten zu können. Regionale Produkte zu kaufen, auf unnötige Autofahrten zu verzichten, Ökostrom zu beziehen oder auch mit seiner Suche im Netz Bäume zu pflanzen macht einen großen Unterschied und lässt sich gut in den Alltag integrieren.
Wer diese Einstellung auch noch mit seinen Freunden teilt, kann in seinem eigenen Umfeld Einiges bewirken.
energieheld: Liebe Jacey, vielen Dank für das Gespräch.
Liebe Leserinnen und Leser,
ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist Jacey Bingler von Ecosia für ein Interview im Rahmen unserer Experteninterviews zu gewinnen. Wie gelingt es einem Unternehmen gewinnorientiert und gleichzeitig ökologisch zu handeln?
Ecosia versucht diesen schwierigen Spagat und geht dabei den Weg der kleinen Schritte.
Ecosia ist eine Social-Business-Suchmaschine, die sich die Aufforstung der Wüste in Burkina Faso zum Ziel gesetzt hat. Mit Hilfe von Werbeeinnahmen soll das Ziel bis 2020 erreicht werden.
Das ist ambitioniert, aber genau solche Projekte sind gerade heute besonders wichtig. Die Energiewende braucht immer wieder visionäre Vorhaben, um Menschen zu inspirieren.
Diese Ideen machen Mut sich auch als gewinnorientiertes Unternehmen dem Klimawandel entgegen zu stellen.
Mit Bäumen die politische Gesamtsituation der Menschen in Burkina Faso ändern? Das klingt unglaublich. Und doch ist gerade der Weg der kleinen Schritte, das was am wirksamsten sein könnte.
Mit einem geradezu idealistischen Plan, der sicherlich Jahre und Jahrzehnte dauert, geht ECOSIA Herausforderungen an, die nur langfristig zu lösen sind – und zwar gemeinsam.
Quellen:
Bilder: © Ecosia
Bitte nicht falsch verstehen, ich unterstütze das Projekt vollkommen.
Jedoch beschleicht mich das Gefühl, dass der Firmengründer bei seiner
„Reise um die Welt“ und vermutlich auch die Mitarbeiter im laufenden
Betreib (irgendwer muss ja regelmäßig den Fortschritt in Burkina Faso
prüfen) mit dem Flugzeug weitaus mehr CO2 verursachen als die durch das
Projekt gepflanzten Bäume auch in 666 Jahren wieder ausgleichen könnten.
Das
wird beim Thema Nachhaligkeit und Klimaschutz oft vergessen. Übrigens
hilft bei Flugzeugen auch keine Energiewende (E-Planes wird es nie
geben). Das Fliegen muss man einfach lassen 🙂
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