Interview Hans von Storch, Klimaforscher und Meteorologe
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen. Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.
Zu Gast: Hans von Storch
Im Gespräch mit uns ist Hans von Storch, Klimaforscher und Meteorologe. Er wurde 1949 in Wyk auf Föhr geboren und ist ehemaliger Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht sowie ehemaliger Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Meteorologie sowie Professor an der Universität Hamburg und an der Ocean University of China. Er betrieb Forschungen unter anderem zur Klimapolitik. 2019 erhielt der das Bundesverdienstkreuz erster Klasse wegen seines Beitrags zum Wissen über den Klimawandel.
energieheld: Herr von Storch, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch mit uns nehmen.
Zur Person
energieheld: Was hat Sie dazu motiviert, Klimaforscher und Meteorologe zu werden?
Hans von Storch: Das geschah zufällig. Ich hatte als Schüler gelernt zu programmieren und landete so im Institut für Meereskunde der Universität Hamburg; als ich nach dem Ende meines Studiums einen Job in der Wissenschaft suchte, verschlug es mich ins Nachbarinstitut der Meteorologie. Dort verlagerte sich Mitte der 80er Jahre die Thematik zur Klimaforschung, was mir als ausgebildetem Mathematiker gut zupasskam.
energieheld: Hat das Aufwachsen in der Nähe des Meeres Ihr Interesse an der Küstenforschung beeinflusst?
Hans von Storch: Bestimmt. Die Erinnerung an den Blick auf das Wattenmeer als Kind hat mich mein Leben lang begleitet.
energieheld: Wie definieren Sie Ihre Rolle als Wissenschaftler im Kontext des Klimawandels?
Hans von Storch: Wie in meinem Buch „Der Mensch-Klima-Komplex“ von 2023 ausgeführt, haben die Politik und Wissenschaft ganz verschiedene gesellschaftliche Funktionen. Politik sollte den Interessenausgleich und dem auskömmlichen Umgang der Menschen im Auge haben, also insbesondere inneren und äußeren Frieden. Wissenschaft dagegen die Gewinnung weiteren, robusten Wissens, möglichst unabhängig vom Zeitgeist. Wissenschaft wird nicht für Politik betrieben, sondern ist eine Kulturleistung, die es den Menschen besser erlaubt, ihre komplexe soziale und geophysikalische Umwelt besser zu verstehen.
So sollte sich Wissenschaft sich darauf besinnen, Wissen zu schaffen und nicht die Gesellschaft erziehen zu wollen, und die Politik dazu, divergente Interessen auszugleichen. Also Wissenschaft Wissenschaft sein zu lassen und Politik Politik. So könnten wir eventuell auch das Bewusstsein und das Verständnis der Öffentlichkeit für den Klimawandel verbessern.
Forschung und Erkenntnisse
energieheld: Wie haben sich die Wetter- und Klimamuster in den letzten Jahrzehnten verändert?
Hans von Storch: Es ist fast überall auf der Welt wärmer geworden, was zu erklären nur gelingt, wenn man von einem maßgeblichen Einfluss der erhöhten Treibhausgaskonzentrationen (aufgrund entsprechender menschlicher Emissionen) ausgeht. Starkniederschläge sind stärker geworden, Meeresspiegel ist gestiegen. Kaltphasen sind kürzer und milder geworden. Der Winter ist kürzer geworden.
energieheld: Gab es in Ihrer Karriere überraschende oder unerwartete Forschungsergebnisse?
Hans von Storch: Kaum, aber vielleicht das Finden einer Erwärmung im Ostseeraum seit ca. 1980, die stärker war als von Klimamodelle vorgeschlagen – das lag vermutlich daran, dass in der wirklichen Welt die Freisetzung von Aerosolen deutlich zurückging, und so eine zuvor wirkende Bremse der regionalen Erwärmung gelöst wurde.
Eine andere überraschende Einsicht war, dass die Vorstellung eines menschgemachten Klimawandels durchaus nicht neu ist, sondern schon zum Ende des 19. Jahrhunderts gedacht wurde, wenn nicht schon deutlich früher.
Klimawandel und seine Auswirkungen
energieheld: Welche Auswirkungen des Klimawandels sind derzeit am deutlichsten spürbar?
Hans von Storch: Die Erwärmung, mit allem, was damit zusammenhängt, also weniger Meereis, weniger Schnee, stärkere und häufigere Hitzewellen, weniger und mildere Kältewellen, kürzerer Winter. Aber auch erhöhte Nervosität bzw. Angst der Gesellschaft wegen der Perspektive eines zukünftig stark veränderten Klimas.
energieheld: Was sind die potenziellen langfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesellschaft und die Umwelt?
Hans von Storch: Dies ist eine sehr schwierige Frage, weil sich der Klimawandel parallel zu gesellschaftlichem und technologischem Wandel entfaltet. Es werden Anpassungsmaßnahmen erforderlich, auch wenn die Klimaschutzpolitik sehr erfolgreich sein sollte, also Küstenschutz, Schutz (nicht nur) alter Menschen vor Hitzestress, Schutz vor Hochwasser in der Fläche und andere Maßnahmen.
Lösungen und Maßnahmen
Wir müssen auf die Wirksamkeit von Maßnahmen achten und Technologien entwickeln, die wirtschaftlich attraktiv sind und so zur Nachahmung überall auf der Welt anregen.
energieheld: Wie sollten wir auf den menschgemachten Klimawandel reagieren?
Hans von Storch: Kommt darauf an, wer „wir“ ist. Die Herausforderung für Menschen in Indien oder Mozambique sind andere als solche in Dänemark. Gemeinsam ist aber allen Menschen, dass ein Monitoring über die tatsächlichen Veränderungen erforderlich ist, dass sauber unterschieden wird zwischen sich einstellenden und erwarteten regionalen und lokalen Klimaänderungen auf der einen Seite und natürlichen Klimaschwankungen auf der anderen Seite.
Die Minderung der Emissionen von Treibhausgasen und die Anpassung an ein verändertes Klima sind ebenfalls Maßnahmen, die ergriffen werden sollten. Wichtig ist, gegen Panikattacken interessierter Kreise anzugehen und dass den Menschen die Angst und damit die Treibkraft für irrationales Handeln genommen wird. Wir müssen auf die Wirksamkeit von Maßnahmen achten und Technologien entwickeln, die wirtschaftlich attraktiv sind und so zur Nachahmung überall auf der Welt anregen.
energieheld: Gibt es technologische Innovationen, die Ihnen besonders viel Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel geben?
Hans von Storch: Da mag es noch andere Innovationen geben, die ich nicht kenne, aber die Elektrifizierung von Verkehr und Heizung bzw. Kühlung geben mir etwas Hoffnung, sowie die Reaktivierung der Kernkraft zur Energiegewinnung.
energieheld: Wird derzeit bereits genug getan, um die im Pariser Abkommen festgelegten Ziele zu erreichen?
Hans von Storch: Nein, die Emissionen von Treibhausgasen steigen weiterhin an – zuletzt las man von dem Überschreiten der 40 Gigatonnen CO2 Grenze, während ein Erreichen der Pariser Ziele eine schon jetzt sichtbare Minderung in Richtung auf Netto-Null bis 2050 erforderlich machen. Zudem werden ab spätestens ca. 2050 massive Herausnahmen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre nötig sein, was – wie mir scheint – noch ziemliche Zukunftsmusik ist.
Dennoch haben internationale Klimaschutzabkommen eine gewisse Wirkung – sonst würden die Emissionen noch stärker anstiegen, aber ohne eine verbesserte internationale Zusammenarbeit, eine Betonung der wirtschaftlichen Konsistenz aller Maßnahmen durch technologischen Fortschritt wird es nicht gehen.
Titelbild: © Andreas Pohlmann | Hans von Storch