Interview: Erfinder von NeptuTherm
In der Blog-Reihe „energieheld fragt – Experten antworten“, interviewen wir von energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen der Energiewende.
Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen.
Die Energiewende ist ein höchst komplexes Thema, uns interessieren die Menschen welche diese mitgestalten wollen, ihre Meinungen und Ideen.
In dieser Interview-Reihe kommen wöchentlich Blogger, Politiker, Unternehmen und fachkundige Prominente zu Wort.
Heute im Interview: Prof. Richard Meier
Erfinder des ökologischen Dämmstoffes „Neptutherm„
Zur Person: Richard Meier ist Diplom-Ingenieur für Architektur. In den Jahren 1995 bis 2010 war er Professor für Architektur und Denkmalpflege an der SRH Hochschule Heidelberg. Hier lehrte er unter anderem die Fächer Baustoffkunde, Baustoffanwendung und Baukonstruktion sowie Sanierung und Denkmalpflege.
Heute wohnt er in Karlsruhe und ist als Erfinder des Dämmstoffes „NeptuTherm“ bekannt. Dies soll der erste Dämmstoff sein, der komplett ohne künstliche Zusätze wie etwa Borsalze oder ähnliches auskommt. Das interessiert uns von energieheld natürlich besonders, schließlich sind wir täglich an mehreren Dämmungs-Projekten beteiligt. Zu diesem Thema und einigen mehr wollen wir Herrn Prof. Richard Meier gerne im Interview befragen.
Beginn des Interviews:
energieheld:
Hallo Herr Meier, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben unsere Fragen zu beantworten.
Prof. Richard Meier:
Ist mir ein Vergnügen!
Thema: NeptuTherm – Dämmungen mit Seegras?
“Die Knödel taugen doch für gar nichts, nicht mal zum Anzünden des Kamins kann man sie verwenden, die brennen nicht!“
energieheld:
Sie sind der Erfinder des Dämmstoffes „NeptuTherm – die 100% naturreine Dämmung aus dem Meer“. Steigen wir hier gleich ein: Können Sie unseren Lesern kurz erklären, was NeptuTherm eigentlich ist?
Prof. Richard Meier:
Es ist ein klein wenig kompliziert: Den Rohstoff kennt fast jeder, zumindest wenn er mal am Mittelmeer Urlaub machte. Unser Dämmstoff wird aus den kleinen Faserbällchen, die man dort an den Stränden findet, hergestellt. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass sie vom Kamel oder einem anderen Tier stammen. In Wirklichkeit, bestehen sie aus den nicht verrottbaren Überresten des Seegrases „Posidonia oceanica“, das es dort überall gibt. Es wächst rund ums Mittelmeer in Tiefen von ca. 3 bis 35 Meter und hat einen Wachstumszyklus wie die Bäume im Wald: Im Frühjahr ist es knackig und hellgrün, im Herbst wird es braun, die verwelkten Blätter reißen ab, geraten in den Waschgang der Wellen und die organischen Bestandteile werden von verschiedenen Lebewesen „verspeist“. Übrig bleiben sehr kräftige, silikathaltige Fasern, die sich dann durch die Wellenbewegungen zu den Bällchen rollen.
Das Tolle bei der Posidonia ist, dass Sie mehrere wichtige Funktionen erfüllt: Sie schützt die Strände mit ihren dicken Wurzelmatten vor Erosion. Sie produziert ungefähr fünfmal so viel Sauerstoff wie die gleiche Fläche Regenwald. Sie ist Kindergarten für eine Unmenge neuen Lebens und nebenbei schenkt sie uns noch die tollen Faserbälle. Und wir machen aus diesem „Meeresabfall“ einen hochwertigen Dämmstoff!
energieheld:
Seit wann existiert die NeptuTherm e.K. und wie sind Sie auf die Idee gekommen den Dämmstoff zu produzieren? Gibt es da eine Gründer-Geschichte zu?
Prof. Richard Meier:
Tja, eine Karriere als Start-Up-Unternehmer war wirklich nicht geplant. Eher schon ein etwas beschaulicherer Ruhestand: Viel Reisen, viel Architektur anschauen und möglichst viel Kitesurfen, so lange es noch geht. Aber es kam anders. Als wir – meine Frau, ein Freund und ich – im April 2006 in Denia am Strand saßen und ich vergeblich auf Wind zum Kitesurfen wartete – bewarfen wir uns mit den Bällen, die das Meer in der Nacht in großen Mengen an den Strand gespült hatte. Meine Frau fing dann an, einen aufzudröseln. „He Professor, wären die Fasern nicht ein toller Dämmstoff?“ Meine Reaktion war nicht gerade begeistert: „Man nimmt doch schon Hanf, Gras, Getreidespelzen und alles Mögliche, da braucht´s das nicht auch noch!“ Kommentar unseres Freundes: “Die Knödel taugen doch für gar nichts, nicht mal zum Anzünden des Kamins kann man sie verwenden, die brennen nicht!“ Da war ich sofort hellhörig. Und tatsächlich, der Test mit dem Feuerzeug zeigte, dass die Fasern so gut wie nicht brennen, sondern nur kurz glimmen und wenn man die Flamme wegnimmt, sofort wieder ausgehen. So was hatte ich noch nie gesehen und – wie wir heute wissen – ist das einzigartig. Das „Feuer“ war entzündet.
Aber erst im Oktober – nachdem zwei Tüten mit Bällen die ganze Zeit bei uns im Büro standen – ließ ich endlich zwei Tests beim Fraunhofer IBP in Stuttgart machen. Die Wärmedämmungwirkung war sehr gut und der Salzgehalt extrem gering. Die Forscher bestärkten mich, dass man angesichts der einmaligen Eigenschaft, dieses Produkt unbedingt in den Markt bringen müsste.
Dann ging es relativ schnell weiter. Nach der Patentanmeldung Januar 2007, der Eintragung des Namens „NeptuTherm“, dem Gewinn des IKEA-Innovationspreises im April, gründeten wir die NeptuTherm e.K. als Forschungs- und Entwicklungsfirma. Erst 2010 konnten wir mit der NeptuGmbH die operative Firma für Rohstoffbeschaffung, Herstellung und Vertrieb von NeptuTherm gründen. Dazwischen lag ein sehr aufwendiger und teurer Entwicklungs- und Zulassungsprozess, der Aufbau der Produktionsanlage und der Beginn des Marketings und Vertriebs. Ende 2011 haben wir dann die ersten Säcke der bauaufsichtlich zugelassenen Dämmwolle verkauft. Seither wurden schon viele, viele Objekte damit ausgestattet.
energieheld:
NeptuTherm ist eine Schütt-, Stopf- und Einblasdämmung, sie wird also entweder lose aufgeschüttet, in Hohlräume gestopft oder per Maschine eingeblasen. Was ist hier der Vorteil gegenüber Dämmplatte oder –matten?
Prof. Richard Meier:
Der größte Vorteil ist, dass wir den energieaufwendigen, meistens thermischen Herstellungsprozess einer Matte oder Platte einsparen. Alle Wettbewerbsprodukte – auch aus anderen nachwachsenden Rohstoffen – haben deshalb eine deutlich schlechtere Primärenergiebilanz als NeptuTherm. Ich denke, wir können das später noch vertiefen. Für die Wolle brauchen wir auch keine Bindemittel. Fast alle im Markt befindlichen Matten oder Platten sind mit teilweise fragwürdigen synthetischen Bindemitteln meistens unter Druck und Hitze verklebt – sei es mit Polyester oder Polyurethan – nur wenige mit Stärke oder ähnlichem. Dazu kommen überall Brand- und Schimmelhemmer. Bei uns kommt gar nichts rein, sondern nur raus: Um die Einblaseigenschaften zu optimieren, haben wir immer mehr Sand und Feinteile ausgesiebt, bis wir zur heute zugelassenen Qualität kamen.
Jetzt lässt sich NeptuTherm für den Fachmann einfach verarbeiten: In die Fassadenhohlräume, in die Gefache der Sparrenkonstruktion und in Deckenhohlräume wird es eingeblasen. Teilweise wird es auch einfach eingestopft, z.B. im Bestand, wenn man das Dach von außen saniert. Dort kann man beim Neueindecken NeptuTherm schnell Zug um Zug mit der Verlegung des Unterdachs einbringen. Ruck-zuck ist das Dach wieder regendicht. Auch der Selbstbauer profitiert von der extrem leichten Handhabung. Durch die Mithilfe beim Einbringen oder durch komplette Eigenleistung lässt sich viel Geld sparen.
energieheld:
Gerade ökologische Dämmstoffe wie Flachs oder Schilf stehen häufig in der Kritik wegen ihren bauphysikalischen Eigenschaften. Zu den harten Fakten: Welche Werte erreicht die Seegrasdämmung bei Wärmeleitfähigkeit und Entflammbarkeit? Wie steht es dabei um die Kosten und Anwendungsgebiete?
Prof. Richard Meier:
Warum Kritik? Ich will´s mal so sagen. Es ist´s wie´s ist: es sind einfach Naturstoffe mit Ihren von Gott gegebenen Eigenschaften und keine Turbochemie. Wir können nur geringfügig an Stellschrauben drehen, z.B. durch Sieben, Modifikation der Faserlänge o.ä.. Auch wir haben Versuche u.a. mit PU-Bindern gemacht und sensationelle Werte generiert. Aber es kommt für mich nicht in Frage, dass wir unser tolles naturreines Produkt mit Chemie „aufblasen“. Da nehme ich lieber die schlechteren Werte in Kauf – zumal sie sich ja ganz einfach kompensieren lassen. Für einen U-Wert von z.B. 0,24 W/m2K (wie es z.B. die EnEV für die oberste Geschossdecke vorschreibt) brauchen sie 180 mm NeptuTherm. Wenn Sie stattdessen EPS ( z.B. Styropor WLG040) nehmen sind es 160 mm. Mit NeptuTherm braucht man also gerade mal 20 mm mehr. Worüber reden wir da eigentlich?
Über die Entflammbarkeit haben wir ja indirekt schon gesprochen: Nur wegen der schlechten Brennbarkeit gibt es überhaupt NeptuTherm! Dass es nun „nur“ die Baustoffklasse B2 = normal entflammbar hat, zeigt wieder mal den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der „Theorie“ (nämlich im Brandtest nach den Normen, die passend für die chemische Konkurrenz geschaffen sind und nach denen auch die NeptuTherm-Wolle zertifiziert wird) „brennt“ es, in der Praxis eben nicht. Ich stelle jedem gerne ein Muster zum persönlichen Flammtest zur Verfügung. Wie EPS brennt, obwohl es angeblich B1 = schwer entflammbar ausgestattet ist, ist ja inzwischen bestens bekannt. Und es brennt trotz der höchst umweltschädlichen, persistenten Flammhemmer wie HBCD, die wir nie wieder los werden. Die Mineralfaserprodukte sind zwar wirklich nicht brennbar (Baustoffklasse A1), können aber keine Feuchtigkeit aufnehmen und sind im Entsorgungsfall Sondermüll.
energieheld:
Was sind die, sagen wir mal, drei großen Vorteile einer Dämmung mit NeptuTherm?
Prof. Richard Meier:
Nur drei? Lassen Sie es mich mal so sagen:
1. Die Natur hat die Faser mit allen positiven Eigenschaften ausgestattet, so dass wir weder für den Brand- noch für den Schimmelschutz irgendwelche Chemie zugeben müssen, die uns und unserer Umwelt schaden könnte. Das Zertifikat des eco-Instituts in Köln bestätigt, dass die Wolle auch sonst absolut frei ist von Schadstoffen.
2. Die extrem hohe Dampfdurchlässigkeit bei gleichzeitiger hoher Feuchteaufnahme und -abgabe, die für ein angenehmes Klima und eine extrem geringe Schadensgefahr sorgt. Nebenbei: NeptuTherm kann auch mal sehr feucht werden – was zum Beispiel in denkmalgeschützten Häusern auf der obersten Geschossdecke schon mal passieren kann. Es trocknet einfach wieder aus, ohne dabei Schaden zu nehmen. Dann gibt es da noch eine extrem hohe thermische Speicherfähigkeit – für den sommerlichen Wärmeschutz – und einen hervorragenden Schallschutz.
3. NeptuTherm kann immer wieder verwendet werden, da die Fasern extrem robust sind. Beispiel: Sie dämmen heute die oberste Geschossdecke, wollen dann aber später das Dach ausbauen. Dann können Sie NeptuTherm problemlos wieder in die neue Konstruktion einbauen. Es gibt keinen Verschnitt und damit auch keinen Abfall. Sollte es dann wirklich irgendwann mal nicht mehr „gebraucht“ werden, kommt es einfach als Substrat ins Gewächshaus oder unter die Gartenerde. Dafür haben wir übrigens auch ein europäisches Patent.
energieheld:
Es gibt immer Vor- und Nachteile, in jedem Bereich. Hand aufs Herz, was ist der größte Nachteil der Seegrasdämmung und woran liegt das?
Prof. Richard Meier:
Es gibt zwei Nachteile: Das Schwierigste für uns sind die hohen Beschaffungs- und Herstellungskosten und damit auch der hohe Preis. Der kommt einerseits von den nicht unerheblichen Transportkosten, andererseits aber auch davon, dass wir die Rohstoffbeschaffung als soziales Projekt sehen. Wir versuchen, so viel Arbeit wie möglich für die Ärmsten der Armen in den Schwellenländern wie Tunesien und Albanien zu schaffen. Alleine für das Sammeln einer LKW-Ladung arbeiten ca. 30 Frauen 7 Tage lang, zu Zeiten, wo sie sonst keine Arbeit hätten. Langfristig wollen wir auch die Produktion dorthin verlagern, damit wir noch mehr tun als jetzt.
Das zweite Problem ist die Endlichkeit der Rohstoffvorräte. NeptuTherm wird immer nur eine begrenzte Anzahl Kunden mit unserem wunderbaren Dämmstoff beglücken können. Aber es sind sicherlich schon ganz schön viele Kubikmeter, bis die Ware mal knapp wird. Aber irgendwo liegt dann schon wieder die nächste „Ladung“ am Strand. Dazwischen müssen wir eben ausreichende Mengen auf Lager liegen haben. Aber das ist ja auch bei anderen Produkten so, die nicht gewerbsmäßig angebaut werden (können). Für mich ist es trotzdem ein sehr vielversprechendes Geschäftsmodell.
energieheld:
NeptuTherm ist nicht der erste und einzige ökologische Dämmstoff, Kokosfaser zum Beispiel verfügt ebenfalls über gute Dämmeigenschaften. Zweifelhaft hierbei ist jedoch, ob eine Dämmung mit Kokosfaser in deutschen Gebäuden aus ökologischer Sicht noch sinnvoll ist. Schließlich gilt der lange Transportweg aus Ozeanien mit zu beachten.
Wie steht es um die Ökobilanz von Seegras, wie transportieren Sie den Dämmstoff nach Deutschland?
Prof. Richard Meier:
Das ist ein Punkt, der für mich von Anfang an sehr wichtig war, schließlich kannten schon meine Studierenden meinen Spruch: „Was soll die ganze Dämmerei, wenn die Energie in der Summe gar nicht dem Gebäude zu Gute kommt, sondern überwiegend der Herstellung des Dämmstoffs (z.B. beim Auflösen des Holzes mit Dampf oder beim Schmelzen von Glas oder Stein) und dabei zum Schornstein hinaus geblasen wird? So gesehen hätte man ein Gebäude unsaniert und bei offenen Fenstern noch 30 Jahre weiter beheizen können.“
NeptuTherm hat beim Schütten und Stopfen mit 37 kWh/m³ den geringsten Primärenergieverbrauch aller Dämmstoffe überhaupt. Und dies trotz der zugegebenermaßen sehr langen Beschaffungswege. Bei der Verarbeitung mittels Einblasen liegt der Wert bei immer noch sehr guten 50 kWh/m³. Diese Werte wurden vom Fraunhofer ICT in Pfinztal im Rahmen eines großen EU- Forschungsvorhabens ermittelt. Dabei gibt es eine Kombination von Schiff und Euro4- LKWs.
Nebenbei: Da wir unsere Fertigwaren wasserdicht verpacken müssen, blieb nur die Verpackung in nicht wirklich umweltfreundliche PE-Säcke. Diese würden unsere Ökobilanz ganz erheblich verschlechtern. Aber auch dafür haben wir eine Lösung gefunden: Wir verlangen 3,- € Pfand pro Sack, die wir nach deren Rückgabe zurückerstatten und verwenden sie mehrfach wieder. Und das funktioniert erstaunlicherweise sehr, sehr gut, bedeutet aber auch für uns einen erheblichen Aufwand.
Thema: Energieeffizienz und Klimaschutz
„Wie kann jemand ernsthaft behaupten, dass es falsch sei dem Gebäude einen warmen Mantel für den kalten Winter anzuziehen?“
energieheld:
Laut den Klimaschutzzielen der Bundesregierung sollen durch das klimafreundliche Bauen bis zum Jahre 2020 etwa 6 bis 10 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Was können ökologische Dämmstoffe zu dem Erreichen dieser Ziele beisteuern?
Prof. Richard Meier:
Bei der CO2- Einsparung geht es immer um Vermeidung von Primärenergie für die Herstellung aller Dinge. Normalerweise sind die nachwachsenden Rohstoffe da immer im Vorteil. Kommt aber immer darauf an, was man daraus macht und wie man es macht – siehe vorherige Frage.
energieheld:
Im Interview der Deutschen Handwerkzeitung sagt Bundesministerin Barbara Hendricks: „Wir haben in Deutschland eine Sanierungsquote von 0,8 Prozent, da ist noch Luft nach oben. Wir bräuchten 2,5 Prozent.“
Was glauben Sie, worin mögen die Hauptgründe für diese eher geringe Sanierungsquote liegen? Und wie könnte man Ihrer Meinung nach etwas für den Anstieg tun?
Prof. Richard Meier:
Ich bin seit vielen Jahren als Architekt schon fast ausschließlich mit energetischen Neubauten, Gebäudesanierungen, Umbauten und Modernisierungen beschäftigt. Für die Bauherren und Hauseigentümer gibt es sehr gute Anreizprogramme, z.B. durch die KfW-Bank. Im Ausland z.B. Luxemburg gibt es allerdings noch deutlich höhere Förderquoten. Das wäre natürlich auch schön für uns.
Aus meiner Sicht wäre natürlich auch ein besonderes Anreizprogramm für die NaWaRo´s (Nachwachsenden Rohstoffe) erfreulich, wie es dies bis 2007 schon einmal gab.
Dagegen stehen das „Schlechtreden von Dämmmaßnahmen“ und die Tatsache, dass die Gebäudesanierung einem grundsätzlichen Rhythmus folgt, der durch das Altern der Gebäude und die Altersstrukturen ihrer Bewohner gegeben ist. Große Eingriffe = Sanierungsmaßnahmen etc. erfolgen nach meiner Erfahrung fast immer im Takt von ca. 20 bis 25 Jahren bezogen auf das Gebäudealter. Ob man die Eigentümer zu kürzeren Zeiträumen bewegen kann bezweifle ich.
energieheld:
In den Medien ist häufig eine, unserer Meinung nach, irreführende und einseitige Berichterstattung über das Thema Dämmung zu bemerken. Hierbei wird stets von Negativbeispielen, vor allem mit synthetischen Styropor-Dämmungen, berichtet. Alternativen mit ökologischen Materialien, auch beispielsweise mit günstigem Einblasverfahren eingebracht, tauchen dabei so gut wie nie auf.
Was halten Sie von der medialen Darstellung der Dämmungen?
Prof. Richard Meier:
Es wird m.E. selten so viel Mist verzapft wie in dieser Hinsicht. Wie kann jemand ernsthaft behaupten, dass es falsch sei dem Gebäude einen warmen Mantel für den kalten Winter „anzuziehen“? Auch die Behauptung, dass gut und richtig gedämmte Gebäude schimmeln, ist völlig daneben. Dass dies dagegen bei einem unsachgemäß gedämmten Haus mit vielen Wärmebrücken passieren kann, ist logisch: Dabei lassen sich Wärmebrücken bei einer fachgerecht ausgeführten Dämmung verhindern! Z.B. bei einer Fassadendämmung ganz wichtig und massiv unterschätzt, die Dämmung der Fensterlaibung. So gibt es weder Kondensatausfall noch Schimmelbildung. Beim unsanierten Haus dagegen ist das Risiko gering, da es einen hohen Luftaustausch mit der Außenluft gibt. Da zieht es an allen Ecken und man heizt sich zu Tode. Ich bin froh, dass zum Beispiel die Verbraucherberatungen und Energieagenturen inzwischen massiv für Dämmmaßnahmen aussprechen. Nehmen Sie einen qualifizierten Architekten für Ihr Objekt und ich bin sicher er wird Ihr Haus Wärmebrücken- und Schadenfrei planen.
energieheld:
Was ist Ihre Meinung zu WDVS-Dämmungen und synthetischen Dämmstoffen wie Polyurethan (PUR) oder Polystyrol (EPS)?
Prof. Richard Meier:
Die WDVS-Systeme kamen Anfang der 1970er Jahre auf. Ich war damals gerade frisch im Beruf und habe sofort die energetischen und bauphysikalischen Vorteile dieser Art zu Dämmen erkannt. Vorher hatte man ja nur die monolithische Bauweise – Stein auf Stein. Nach dem Krieg Hohlblock, Anfang 70er porosierte Ziegel. Da war das WDVS energetisch doch ein Quantensprung. Leider hat sich damals keiner darüber Gedanken gemacht, wie man das Zeug wieder entsorgen kann – auch ich nicht. Ohne jetzt ein Plädoyer für das WDVS zu halten: Alle Gebäude die ich so geplant habe, stehen noch da, fast wie am ersten Tag und es gab nirgendwo Schimmelprobleme. Aber das Nachdenken über die Trennung und Entsorgung wurde erst vor wenigen Jahren begonnen und ist noch längst nicht gelöst. Meines Erachtens am problematischsten sind aber die Flammhemmer – wie schon oben gesagt – und die persistenten Biozide, die dem Putz beigemischt werden, die Algenbildung verhindern sollen, vom Regen ausgewaschen werden und das Grundwasser verseuchen. Die Algen kommen danach auch prompt wieder.
Mit dem Wissenstand von heute setze ich – so lange wir noch keine eigene mineralisch gebundene NeptuWall-Platte haben – auf extrem diffusionsoffene Fassadensysteme mit überwiegend mineralischen Bestandteilen. Mit einer Hohlraumkonstruktion aus wärmedämmenden Holzträgern und einer mineralischen Putzträgerplatte – der Hohlraum gefüllt mit NeptuTherm – verputzt mit einem mineralischen gewebearmierten Dünnputz, sollte dieser Umweltfrevel ein Ende haben.
energieheld:
Wie geht es mit NeptuTherm weiter? Haben Sie konkrete Ziele für das Jahr 2015?
Prof. Richard Meier:
Das wichtigste für uns ist, unser Verbreitungsgebiet systematisch zu erweitern und die Umsatzzahlen deutlich zu steigern. Dafür und für weitere (bereits schon sehr weit entwickelte) Produkte aus unserer genialen Faser suche ich Partner bzw. Investoren, weil ich das nicht mehr alles alleine stemmen kann. Wir gehören zu einem Kreis förderwürdiger Unternehmen, wo Investoren 20 % ihres Kapitaleinsatzes vom BmWI geschenkt bekommen. Wenn das kein Anreiz ist?
energieheld:
Am Ende eines jeden energieheld-Interviews fragen wir unsere Experten immer nach ihren persönlichen Energiespartipps im Alltag. Was sind die drei Energiespartipps von Prof. Richard Meier?
Prof. Richard Meier:
Ich weiß schon, dass ich ein schlechtes Vorbild bin, da ich geschäftlich und urlaubsmäßig so viel mit Auto und Flieger unterwegs bin. Wenigsten versuche ich, längere Strecken in Deutschland mit der Bahn zu fahren.
Ich bin aber schon lange der Meinung, dass man das kostenlose Angebot der Sonne nutzen und Strom und Warmwasser aus Sonnenwärme gewinnen muss. Eine Thermische Solaranlage und eine Fotovoltaikanlage lasse ich schon über 12 Jahre für mich Energie sparen. Auch die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird im Kleinen noch viel zu wenig genutzt. Ich betreibe nun seit gut neun Jahren mit großem Vergnügen ein BHKW in einem Mehrfamilienhaus in Karlsruhe – die einzige Heizung die sich über die Stromgewinnung selbst refinanziert. Große Potentiale liegen m.E. noch in der Nutzung der Abwärme aus Abwässern bzw. deren Vermeidung, z.B. durch Kompostier- Toiletten. Im Kleinen habe ich die ganze Wohnung auf LED-Leuchten umgerüstet und freue mich diebisch, wenn ich nun im Arbeitszimmer fürs Licht nur noch 28 Watt brauche , wo es vorher 250 waren.
Fazit: Liebe Leserinnen und Leser,
heute konnten wir einen schönen, sehr privaten Einblick in die Geschichte hinter dem Dämmstoff Neptutherm bekommen.
Ich finde es sehr schön, mal nähere Infos über eine ökologische Alternative zu den klassischen Styropor-Dämmstoffen zu erhalten. Hier sieht man, es geht auch anders. Besonders beeindruckt hat mich, dass Herr Meier ein wirklich nachhaltiges Produkt erzeugen will und dies auch noch zusätzlich als soziales Arbeitsbeschaffungs-Projekt in Afrika sieht. Wirklich stark!
Alles hat immer seine Vor- und Nachteile, in diesem Falle wird es wohl vor allem der recht hohe Preis sein, den interessierte zu zahlen bereit sein müssen. Die bau-physikalischen Eigenschaften von Dämmstoffen variieren stark, doch noch stärker variieren die Ergebnisse später in der Umsetzung vor Ort. Jedes Haus gilt es dabei einzeln zu betrachten. Pauschalaussagen sind immer schwer zu treffen, gerade was Wärmebrücken angeht.
Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt wie es mit der Seegras-Dämmung weiter geht – wäre doch schön, wenn sich dies etablieren würde. Wir beleiben da dran.
Medienverzeichnis:
Alle Bilder wurden von NeptuGmbH zur Verfügung gestellt
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