Stillstand bei der Energieeffizienz?
Das Einsparen von Energie, insbesondere bei Gebäuden, gilt immer noch als eine der einfachsten und effektivsten Maßnahmen, um CO2-Emissionen zu senken. Dämmen, Fenstertausch und Co. bieten ein enormes Potential, werden aber bei der Förderung oder Steuererleichterungen oft zu wenig berücksichtigt. Wir sprechen mit der Energieeffizienz-Expertin Alexandra Langenheld von der unabhängigen Denkfabrik Agora Energiewende über die Probleme und mögliche Lösungen. Viel Spaß!
Darum gehts im Interview:
Wo stehen wir bei der Energieeffizienz?
Energieheld: Liebe Frau Langenheld, der Anteil erneuerbarer Energien steigt seit Jahren, auch Sektorenkopplung, Netzausbau und Co. bekommen mehr Aufmerksamkeit. Welche Potentiale der Energieeffizienz werden noch nicht ausgeschöpft?
Alexandra Langenheld (Agora Energiewende): In der energetischen Sanierung bestehender Gebäude liegt einer der wichtigsten Schlüssel für das Gelingen der Energiewende. Spätestens 2050 soll der komplette Gebäudebestand klimaneutral sein, doch leider passiert hier viel zu wenig: Die energetische Sanierungsquote liegt seit Jahren bei etwa 0,9 Prozent pro Jahr. Um das Ziel für 2050 zu erreichen, muss sie mehr als verdoppelt werden. Hinzu kommt: Ohne zusätzliche Anstrengungen beim Dämmen müssen die Menschen in Deutschland jährlich acht Milliarden Euro mehr ausgeben, um das Klimaschutzziel zu erreichen. Das Geld fließt dann vor allem in synthetische Brennstoffe, die importiert werden müssten. Und es ist nicht einmal klar, ob sie in den benötigten Mengen überhaupt zur Verfügung stehen werden. Wir sollten also sparsam damit umgehen, damit diese Brennstoffe dort zum Einsatz kommen, wo sie wirklich alternativlos sind. Und schließlich: Sollte die Bundesregierung bei der Energieeffizienz weiterhin untätig bleiben, wird Deutschland seine europarechtlichen Klimaschutzverpflichtungen mit Sicherheit verfehlen. Dann müsste die Regierung zwischen 30 und 60 Milliarden Euro bis 2030 ausgeben, um ersatzweise Emissionsrechte in anderen EU-Staaten zu beschaffen. Dieses Geld wird sinnvoller zuhause in Innovationen und Wertschöpfung investiert.
Was sind die größten Hindernisse für eine effektivere Einsparung von Energie?
Wer sein Haus energetisch sanieren möchte, befindet sich häufig in einer wirtschaftlich schwierigen Position. Das größte Hindernis ist das Dilemma zwischen der volkswirtschaftlichen und der betriebswirtschaftlichen Seite von Sanierungsmaßnahmen. Für Gebäudeeigentümer rechnen sich einzelne Maßnahmen häufig nicht ohne Förderung – dementsprechend ist eine Sanierung dann nicht besonders attraktiv. Volkswirtschaftlich sieht es anders aus, hier können Sanierungen auch trotz einer Förderung zu großen Kostenersparnissen führen. Es geht also um die Frage, wie Bauherren an diesen volkswirtschaftlichen Vorteilen partizipieren können und deshalb die Sanierung auch tatsächlich anpacken. Und natürlich dürfen keine Standards mehr gefördert werden, die nicht mit dem klimaneutralen Gebäudebestand vereinbar sind. Denken Sie mal daran, dass es immer noch Zuschüsse für den Einbau neuer Ölheizungen gibt.
Energieeffizienz im Kampf gegen Klimawandel
Das Erreichen der Klimaziele, sowohl der deutschen wie internationalen, gilt nicht als sicher. Wie könnte Energieeffizienz beitragen, die Ziele zu erreichen?
Effiziente Gebäude verringern den Aufwand bei Energieerzeugung und -verteilung insgesamt. Sie bewahren damit erneuerbare Potenziale für neuralgische Sektoren und schaffen Spielraum, um zukünftig noch flexibel auf mögliche Änderungen bei den Rahmenbedingungen reagieren zu können. Schließlich wissen wir alle nicht, ob die heute prognostizierten Entwicklungen auch tatsächlich eintreten werden. Das heißt zum Beispiel: Der alleinige, flächendeckende Einsatz von synthetischem Gas im Gebäudebereich, ohne zuvor den Energieverbrauch des Gebäudebestands nennenswert gesenkt zu haben, ist eine kostspielige, klimapolitische Sackgasse, die abhängig macht von dauerhaft hohen Importen und Flexibilität in den anderen Sektoren, etwa im Verkehr oder in der Industrie, vermindert.
Gerade in der Gebäudeenergieeffizienz bleiben viele Möglichkeiten ungenutzt, besonders bei Förderung. Welche Maßnahmen könnten helfen?
Eine attraktive Förderkulisse für die Modernisierung von Gebäuden durch steuerliche Anreize und einfache Zuschüsse bildet das Gegenstück zu einer Verbesserung von Baustandards und zur Einführung einer umfassenden Bepreisung von CO2-Emissionen. Die Förderung trägt dazu bei, die notwendigen Investitionen wirtschaftlich darzustellen, um so die Standards zu erfüllen. Und sie hilft dabei, die Zusatzkosten durch die CO2-Bepreisung zu vermeiden. Die Förderung ist damit notwendiger Bestandteil eines sinnvollen Gesamtkonzepts, das auch der unsachgemäßen Diskreditierung von energetischen Sanierungen als Kostentreiber für Wohnkosten entgegenwirkt.
Politischer Stillstand bei energetischer Sanierung?
Im Februar wurde die Gebäudekommission gestoppt, wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?
Die Gebäudekommission hätte die Möglichkeit eröffnet, ein Maßnahmenbündel zur Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu erarbeiten. Sie hätte gleichermaßen einen Ausgleich der verschiedenen Interessen, vor allem auch zwischen Vermietern und Mietern herbeigeführt. Es ist sehr bedauerlich, dass die Kommission abgesagt wurde und der Stillstand sich fortzusetzen droht. Die fehlende Verlässlichkeit und Planungssicherheit für zukunftsfähige Investitionen wird ebenso wenig angegangen wie die Bereitstellung von bezahlbarem energetisch saniertem Wohnraum für alle Einkommensgruppen.
Wo könnte die Bundesregierung und insbesondere das Klimakabinett ansetzen, um effektiver Energie einzusparen?
Die Bundesregierung sollte noch in diesem Jahr ein Gebäudeenergiegesetz verabschieden, das den Stand der Technik bei Neubau und Sanierung widerspiegelt: Neue Gebäude dürften künftig nur noch in klimafreundlicher Weise errichtet werden, Sanierungen von Bestandsgebäuden müssen die Energiestandards erfüllen, die heute für Neubauten gelten. Dabei sollte das Gesetz regeln, dass auch für solche verpflichtenden Sanierungen im vollen Umfang Förderungen in Anspruch genommen werden können. Außerdem ist es an der Zeit, dass Steuerliche Abschreibung und Zuschüsse für energetische Gebäudesanierung jetzt endlich kommen. Wir schlagen vor, dass energetische Sanierungen ab 2020 steuerlich über Gutschriften auf die Steuerschuld gefördert werden. Besonders hochwertige Sanierungen können dabei auch zusätzlich gefördert werden. Um die Mieter nicht zu belasten, wird die Förderquote für die energetische Sanierung im sozialen Wohnungsbau um 50 Prozent erhöht, diese Kosten dürfen nicht auf die Miete umgelegt werden.
Und schließlich brauchen wir mehr Innovation im Gebäudebereich: Schon heute werden in den Niederlanden und Großbritannien Sanierungen in industriellem Maßstab durchgeführt. Das brauchen wir auch in Deutschland.
Motivation & Tipps für Energiewende
Sie setzen sich für die Energiewende ein und führen oftmals einen Kampf gegen Windmühlen. Was begeistert Sie besonders an Ihrer Arbeit?
Das Gefühl, das Richtige zu tun. Als Think Tank sind wir ausschließlich den Zielen der Energiewende verpflichtet, arbeiten unabhängig und überparteilich. Das ist ein großes Privileg. Zu sehen, dass viele unserer Vorschläge aufgegriffen werden, ist eine große Bestätigung unserer Arbeit. Angesichts dessen ist der gegenwärtige Stillstand insbesondere im Bereich der Gebäudeeffizienzpolitik schwer erträglich.
Wie können Privathaushalte dazu beitragen, die Energiewende schneller und effektiver umzusetzen?
Jeder Haus- oder Wohnungsbesitzer kann sich fragen, wie es mit seiner persönlichen Wärmewende weitergehen könnte. Da jedes Gebäude anders ist, gibt es als Hilfestellung sogenannte individuelle Sanierungsfahrpläne, die man erstellen lassen kann. Daraus ergibt sich, welche Sanierungsmaßnahmen wann am sinnvollsten sind. Aber nicht all die Dinge, die sich aus den volkswirtschaftlichen Energiesystem-Modellen ergeben, lassen sich auch immer sofort umsetzen. Dafür sind die Anreize oft noch falsch gesetzt, beispielsweise die heute noch sehr ungleiche Belastung von Strom, Öl und Gas mit Steuern, Abgaben und Umlagen. Hier ist es wichtig, dass die Politik. die CO2-Emissionen von Energieträgern stärker berücksichtigt. Wir haben uns deshalb ja auch für eine CO2-orientierte Reform der Energiesteuern ausgesprochen und empfehlen zunächst einen CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne. Ganz wichtig dabei: Das dadurch eingenommene Geld muss vollständig an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Wir reden da zunächst über 100 Euro pro Jahr und Kopf für 80 Prozent der Menschen in Deutschland. Außerdem kann eine CO2-Bepreisung auch energetische Sanierungen direkt mitbezahlen.
Liebe Frau Langenheld, herzlichen Dank für das spannende Gespräch!
Fazit
Liebe Leserinnen und Leser,
Frau Langenheld beschreibt sehr klar und eindringlich, wie viel Potential die Gebäudeenergieeffizienz für die Energiewende in Deutschland bereithält. Insbesondere die bessere Förderung und Steuererleichterung für energetische Sanierung sind Instrumente, die viele Experten seit Jahren einfordern. Das neue Gebäudeenergiegesetz muss nicht nur die Auflagen der Europäischen Union bis Ende des Jahres umsetzen, da sonst Strafen drohen, sondern auch ein zukunftsfähiges Konzept mit ambitionierten Standards einbringen.
Quellen:
Bilderquellen: © Agora Energiewende