Was ist ein Blower Door Test? Interview mit Bastian Neuhaus
Um den Energieverbrauch im Wohnhaus möglichst niedrig zu halten, muss die Gebäudehülle luftdicht sein. Ob eine luftdichte Bauweise umgesetzt wurde, kann man mit dem sogenannten Blower Door Test herausfinden. Wir haben mit Bastian Neuhaus vom on.ingenieurbüro darüber gesprochen, wie so ein Test genau abläuft und was man als Hausbesitzer unbedingt beachten sollte.
Darum gehts im Interview:
Kurz erklärt: Der Blower Door Test
Janika Kemmerer (Energieheld): Lieber Herr Neuhaus, was genau ist eigentlich ein Blower Door Test?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Guten Tag Frau Kemmerer, ein Blower Door Test, oder anders ausgedrückt eine Differenzdruckmessung, ist ein Messverfahren, um die luftdichte Gebäudehülle zu überprüfen und die Luftdichtheit eines Gebäudes zu bestimmen. Genau genommen ist der Name Blower Door in erster Linie ein Eigenname eines Herstellers für solche Messgeräte. Der Name Blower Door Test hat sich größtenteils in der Baubranche durchgesetzt.
Janika Kemmerer (Energieheld): Wie läuft ein Blower Door Test konkret ab?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Zum Start eines Blower Door Tests werden erst einmal alle Außentüren und Fenster des Gebäudes geschlossen. Sollte das zu prüfende Gebäude eine raumlufttechnische Anlage besitzen, muss diese ausgestellt und abgedichtet werden. Als Nächstes wird ein Tuch mit Hilfe eines Rahmens in eine der Außentüren eingebaut. Dieses Tuch hat eine kreisförmige Öffnung, in die ein Ventilator eingesetzt wird. Mit dem Ventilator wird zuerst ein Unterdruck im Gebäude zwischen innen und außen von 50 Pa. eingestellt. Durch den Unterdruck wird Luft durch Undichtigkeiten in der Gebäudehülle angesaugt. Als einfaches Beispiel wäre hier eine defekte Fensterdichtung zu nennen.
Diese Stellen werden als Leckagen bezeichnet. Im günstigsten Fall führen Leckagen zu Energieverlust, im schlimmsten Fall zu Bauschäden. Deshalb erfolgt nun der wichtigste Schritt einer Blower Door Messung: die Leckageortung. Während des Unterdrucks wird mit geeigneten Messgeräten die gesamte Gebäudehülle von innen überprüft. Hierzu kann man z.B. einen Strömungsmesser benutzen oder eine Thermografiekamera. Beliebt bei Kunden ist auch der Einsatz von Nebelgeräten. Viele Leckagen können aber auch schon mit der bloßen Hand aufgespürt werden. Kritisch zu bewertende Leckagen werden dokumentiert. Falls der ausführende Handwerker beim Test dabei ist, kann er ggf. direkt nacharbeiten.
Nach der Leckageortung erfolgt die eigentliche Gebäudedichtheitsprüfung. Zuerst wird die natürliche Druckdifferenz bei ausgestelltem Ventilator aufgenommen und der Einfluss von Wind und thermischem Auftrieb ermittelt. Danach werden mit Hilfe des Ventilators verschiedene Druckpunkte angefahren und die jeweiligen Volumenströme am Ventilator gemessen. Nach dieser Messreihe wird nochmals die natürliche Druckdifferenz ermittelt und im Anschluss der n50-Wert bestimmt. Das Ganze kann bei Bedarf bei Überdruck wiederholt werden. Der n50-Wert beschreibt eine spezifische Luftwechselrate. Der Volumenstrom, der zur Erzeugung von 50 Pa Druckunterschied nötig ist, wird ins Verhältnis zum Innenvolumen des Gebäudes gesetzt. Selbstverständlich werden vor und nach der Messung, Randbedingungen und Einflussfaktoren, wie z.B. Temperaturen, aufgenommen. Auswertung, Zusammenfassung der Dokumentation und Ermittlung der finalen Werte finden in der Regel am Folgetag statt.
Kosten, Risiken und Förderung – Lohnt sich der Test?
Janika Kemmerer (Energieheld): Warum müssen Hausbesitzer überhaupt so einen Test machen? Ist das nicht nur noch eine zusätzliche Ausgabe?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Bei Neubauten muss der Test durchgeführt werden, wenn er im EnEV- Nachweis angesetzt wurde und/oder das neu errichtete Gebäude über eine in der energetischen Bilanzierung angerechnete Lüftungsanlage verfügt. Gerade bei einer Lüftungsanlage ist der Test sehr wichtig, damit die Anlage effektiv laufen kann. Die Anlage soll schließlich über ihre Zuluft Frischluft ziehen und nicht durch Leckagen, da sonst die Wärmerückgewinnung nicht effizient läuft und auch die Luftqualität leidet.
Desweiteren gibt es Förderprogramme, die den Test je nach Programm verpflichtend vorschreiben, z.B. KfW oder progres.NRW. Jedem Bauherrn sollte aber klar sein, dass der Blower Door Test mehr ist als das bloße Ermitteln von Grenzwerten für die EnEV oder die Förderung. Der Test ist als wichtiger Bestandteil der Qualitätssicherung zu sehen. Nur durch einen fachlich korrekt ausgeführten Blower Door Test, kann der Bauherr sich vergewissern, dass das eigene Heim in Bezug auf die Luftdichtheit dem Stand der Technik entspricht. Man will ja nicht, dass durch übersehene Luftleckagen Feuchtigkeit in die empfindlichen Konstruktionen eindringt. Diese kann nämlich zu einem sehr teuren Bauschaden führen, was alle Baubeteiligten vermeiden wollen.
Janika Kemmerer (Energieheld): Was kostet ein Blower Door Test und wann lohnt sich die Maßnahme finanziell für Hausbesitzer?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Der Test lohnt sich immer. Im Vergleich zu den gesamten Baukosten und durch den Mehrwert einer richtigen Leckageortung, fällt ein Blower Door Test kaum ins Gewicht. Bei einem EFH liegen die Kosten je nach Größe und Ausführung des Baus zwischen 350-450 Euro (zzgl. Steuer). Wenn man bedenkt, was ein späterer Bauschaden kosten kann, ist das sicher gut investiertes Geld. Man sollte aber darauf achten, dass man nicht auf Lockangebote hereinfällt. Zum Beispiel werden häufig Tests ohne die so wichtige Leckageortung durchgeführt. Oder es werden andere Bestandteile der DIN weggelassen, wie die korrekte Volumenberechnung. Man muss sich bewusst sein, dass man bei einem solchen Lockangebot keine Qualitätssicherung hat. Außerdem bewegt man sich auf dünnem Eis, was Fördergelder angeht, da diese eine normgerechte Messung und eine nachvollziehbare Bezugswertberechnung voraussetzen. Wie immer gilt: Ist ein Preis zu gut, um wahr zu sein, ist er es auch.
Janika Kemmerer (Energieheld): Gibt es Fördermittel oder andere Unterstützung für den Blower Door Test?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Auf jeden Fall. Mittlerweile fördern immer mehr Städte und Kommunen einen Blower Door Test und der Test ist auch im Rahmen der Baubegleitung KfW 431 förderfähig.
So finden Sie den richtigen Handwerker
Janika Kemmerer (Energieheld): Kann ich selbst oder mein Handwerker das durchführen oder braucht es dafür einen Spezialisten?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Man sollte auf jeden Fall darauf achten, dass man einen Messdienstleister beauftragt, der Erfahrungen in diesem Bereich hat und vom Fach ist. Wer auf der sicheren Seite sein will, achtet auf eine Zertifizierung im Bereich Luftdichtheitsprüfungen bei dem jeweiligen Dienstleister. Eine solche Zertifizierung vergibt zum Beispiel der Fachverband für Luftdichtheit im Bauwesen. Der FLiB führt dazu auch eine Datenbank im Internet. Außerdem schadet es auf keinen Fall, wenn der Dienstleister eine Ausbildung oder ein Studium rund ums Bauwesen abgeschlossen hat.
Man sollte sich trotzdem die Frage stellen, nicht lieber ein paar Euro mehr zu investieren, um einen fachlich versierten Dienstleister zu beauftragen. An der Qualitätssicherung sollte nicht gespart werden. Natürlich kann man, wenn man das Know-how und Zugriff auf die nötige Ausrüstung hat, den Test auch selbst durchführen. Wir empfehlen jedoch immer, einen unabhängigen Profi zu beauftragen. Schließlich ist die Luftdichtheit einer der sensibelsten Bereiche am Gebäude.
Janika Kemmerer (Energieheld): Wo finde ich jemanden, der den Blower Door Test bei mir zu Hause durchführt?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Zum Beispiel auf der Internetseite des FLiB e.V. Dort wird eine Datenbank mit Suchfunktion angeboten, mit der man auf jeden Fall einen Messdienstleister in seiner Region findet. Des Weiteren helfen natürlich auch diverse Suchmaschinen. Selbstverständlich können sich Bauherren auch bei uns melden und wir beraten Sie gerne. Wir haben eine Reihe von zuverlässigen Messtechnikern aus ganz Deutschland in unserem Adressbuch, deren Geschäftskontakt wir gerne vermitteln, wenn wir das Objekt nicht selbst anfahren können.
Janika Kemmerer (Energieheld): Wie häufig werden die Tests bereits durchgeführt?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Bei jedem Neubau, für den Fördermittel z.B. von der KfW beantragt wurden, ist der Blower Door Test Pflicht. Ebenso sieht es bei Green-Building zertifizierten Gebäuden aus. Aber auch ohne Förderung oder Zertifizierung werden im Wohnungsbau fast immer Gebäudedichtheitsprüfungen durchgeführt. Zum einen hat man eine kostengünstige Qualitätskontrolle, zum anderen lässt sich der Blower Door Test im EnEV-Nachweis positiv anrechnen. Im Bereich der Sanierungen haben sich die Vorteile der Dichtheitsprüfung ebenfalls schon herumgesprochen, wobei hier die Verbreitung im Vergleich zum Neubau noch etwas hinterherhinkt.
Unserer Meinung nach sollten Bauherren, egal ob im Neubau oder bei einer Sanierung, immer auch auf einen Blower Door Test bestehen. Im besten Fall beauftragt der Bauherr den Test selbst. Der Bauherr sollte möglichst selber beim Blower Door Test anwesend sein. Man darf nicht vergessen, dass es um eine Qualitätskontrolle geht, die Mängel aufdecken kann, die so manch einer lieber verdeckt halten würde.
Es ist übrigens immer sinnvoll zwei Tests durchzuführen, so wie es auch die KfW und der FLiB empfehlen. Ein Test sollte während der Bauphase stattfinden, wenn die luftdichte Ebene zwar fertiggestellt, jedoch noch zugängig ist. Ist zum Beispiel im Falle eines Satteldachs, die Dampfbremse bereits angebracht, angeschlossen und verlattet, aber noch nicht mit Werkstoffplatten verkleidet, ist es zu diesem Zeitpunkt noch möglich, die meisten Verklebungen, Anschluss und Durchdringungen zu kontrollieren. Der große Vorteil hierbei ist, dass der betreffende Handwerker ohne großen Aufwand nachbessern kann. Fällt ein Mangel zu einem späteren Zeitpunkt auf, zum Beispiel bei der Schlussmessung, ist ein Nacharbeiten ohne teuren Rückbau kaum möglich. Der zweite Blower Door Test stellt die eben erwähnte Schlussmessung dar. Sie wird durchgeführt, wenn das Gebäude bezugsfertig ist. Die Werte, die hierbei ermittelt werden, sind ausschlaggebend für die Förderung und die EnEV.
Selbst bei Gewerbe- und Industriegebäuden wie Logistikhallen oder Supermärkten ist der Blower Door Test eine gängige Maßnahme. Hier machen Bauherren mittlerweile auch oft von ihrer Vertragsfreiheit Gebrauch und vereinbaren viel striktere Zielwerte, als es der Gesetzgeber tut. Energieeinsparung und Qualität spielen eben auch im Gewerbebau eine immer größere Rolle.
Worauf Sie unbedingt achten sollten
Janika Kemmerer (Energieheld): Was sind denn die gängigsten Fehler oder Gefahren bei einem Blower Door Test?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Leider tauchen immer wieder fehlerhafte Messungen und Protokolle auf. Da das Differenzdruckverfahren schon lange genormt ist, gibt es viele Schritte, bei denen der Ingenieur etwas falsch machen kann. Einer der häufigsten Fehler ist die falsche Berechnung des Gebäudevolumens. Aus Unwissenheit oder Zeitdruck wird gerne das Volumen aus der energetischen Bilanzierung verwendet. Das ist nicht zulässig und verfälscht die Ergebnisse, oft auch zum Nachteil des Bauherrn.
Auch eine fehlerhafte Messreihe findet man häufiger. Hier ist die Anzahl der Messpunkte zu gering, die Abstände stimmen nicht oder die Start- und Zieldrücke sind nicht erreicht. Gerne wird die Kontrolle der Randbedingungen, wie die Temperaturen innen und außen, vernachlässigt. Man darf auch nicht vergessen, dass u.a. Ventilator und Manometer kalibriert sein müssen. Der Messdienstleister muss diese Kalibration auch nachweisen können. Wenn die Messgeräte nicht kalibriert oder schlicht zu ungenau sind, ist nicht gewährleistet, dass die Messwerte ausreichend exakt sind. Das bedeutet für den Bauherrn, dass ein knapp nicht bestandener Test, vielleicht doch die Grenzwerte eingehalten hätte, wenn die Geräte kalibriert gewesen wären. Oder es fällt bei einer Nachprüfung auf, dass die positiven Ergebnisse nur aufgrund eines ungenauen Messgeräts zustande gekommen sind. Das bedeutet für den Bauherrn Mehrkosten und Ärger- und das ohne Eigenverschulden.
Eine weitere Fehlerquelle stellen die Abklebungen und Vorbereitungen für den Test dar. Der Fachverband für Luftdichtheit im Bauwesen (FliB e.V.) hat schon vor Jahren mit Experten und Fachleuten definiert, welche Abklebungen bei den unterschiedlichen Messverfahren zulässig sind und welche nicht. Schließlich haben solche Abklebungen einen enormen Einfluss auf das Messergebnis. Erkennt der Messdienstleister eine falsche bauseitige Abklebung nicht oder bringt eine solche auch noch selbst an, ist das Messergebnis zweifelhaft. Ein guter Messdienstleister kann Ihnen Ihre Fragen zu jedem Schritt der Messung fachlich und begründet beantworten.
Janika Kemmerer (Energieheld): Was passiert denn, wenn die Testergebnisse schlecht ausfallen, das Haus also nicht dicht genug ist? Müssen Hausbesitzer dann zwingend nachbessern?
Bastian Neuhaus (on.ingenieurbüro): Sollten die Grenzwerte nicht eingehalten werden, ist das genau der Fall: Dann muss nachgearbeitet werden. Hierbei ist es natürlich sehr hilfreich, wenn man ein ausführliches Protokoll der Leckageortung bekommen hat. Dann weiß man genau, welche Stellen noch zu schließen bzw. nachzubessern sind. Aber auch, wenn die Grenzwerte eingehalten werden, heißt das ja nicht, dass das Gebäude keine Leckagen hat. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt der Messung. Die Grenzwerte allein bescheinigen keine Mängelfreiheit. Es ist also sinnvoll, nach dem Test die gefundenen Stellen, wenn möglich, nachzubessern. Eine Pflicht besteht hierzu allerdings nicht. Bedenkt man aber, dass an einem Tag in der Heizperiode, bei einer 1 mm Fuge von 1 m Länge bis zu ca. 360 g Wasser durch Konvektion in die Konstruktion eindringen kann, ist das ein enormes Risiko. Im Vergleich zum Feuchteeintrag durch reine Diffusion, kann das einen um Faktor 1000 erhöhten Feuchteeintrag bedeuten.
Da sollte man sich zweimal überlegen, ob man gerade die Fehlstellen im Dachbereich nicht doch lieber nacharbeiten lassen sollte. Denn trocknet das Wasser in der Konstruktion im Sommer nicht weg, hat Schimmel das ganze Jahr über einen hervorragenden Nährboden. Das im Hinterkopf, lässt man lieber früher als später nachbessern. Niemand möchte einen Bauschaden in seinem frisch bezogenen Eigenheim riskieren.
Janika Kemmerer (Energieheld): Wir danken Ihnen für das sehr interessante Gespräch!
Fazit
Liebe Leserinnen und Leser,
durch fachgerechtes Sanieren können bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs im Gebäude eingespart werden (Bundesregierung, 16.07.2018). Um sicherzustellen, dass die Maßnahmen sich auch lohnen, kann ein Blower Door Test helfen. So wird überprüft, ob die Bauweise des Hauses wirklich luftdicht ist, die Leckagen werden entdeckt und ausgebessert.
Der Blower Door Test ist also Teil eines großen Ganzen: Fenster, Dach, Dämmung etc. müssen als gesamte Gebäudehülle geprüft werden, um Energieverluste auszumachen. Wer beispielsweise neue Fenster einbaut, obwohl das Haus nie richtig gedämmt wurde, spart kaum mehr Energie ein. Gründlich informieren und recherchieren hilft dabei, sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Bei den Detailfragen und der Umsetzung hilft dann der Energieberater.
Wer mit Sinn und Verstand sein Haus saniert, kann nicht nur Energie sparen und damit bares Geld, sondern verkleinert auch seinen CO2-Fußabdruck.
Bilderquellen: © on .ingenieurbüro GmbH & Co. KG