Experten-Tipps zur Kerndämmung
Richtig umgesetzt ist die Dämmung der Fassade eine sehr effektive Maßnahme, um Energie und damit CO2 und bares Geld zu sparen. Eine Möglichkeit ist die Hohlraumverfüllung einer zweischaligen Fassade, die häufig in norddeutschen Häusern vorkommt. Wir haben Norbert Eversloh, Geschäftsführer der Everisol GmbH, über die wichtigsten Fragen zur Kerndämmung gesprochen.
Darum gehts im Interview:
Übersicht zur Kerndämmung
Janika Kemmerer (Energieheld): Lieber Herr Eversloh, warum wird beim Bau einer zweischaligen Fassade überhaupt ein Hohlraum gelassen?
Norbert Eversloh (Everisol): Zweischalige Bauweise wurde ursprünglich entwickelt, um Innenwände durch Hohlraum und Vormauerschale vor Feuchtigkeit & schädlichen Witterungseinflüssen zu schützen. D. h., die Hohlwand stellte damals in erster Linie eine „Isolierung“ gegen Feuchtigkeit dar. Der oft argumentierte Dämmfaktor der Luft in der Luftschicht ist zu vernachlässigen. In heutiger Zeit wird immer weniger mit Luftschicht gebaut, da die modernen Bau- und Dämmstoffe auch gut ohne Luftschicht funktionieren.
Das bekannteste Dämmsystem ist das WDVS (Wärmedämmverbundsystem), dieses sollte aber niemals vor eine „unverfüllte Luftschicht“ montiert werden. Wirklich ruhende Luft gibt es aufgrund mangelnder Winddichtigkeit in der gewöhnlichen Luftschicht nicht. Im Bezug auf den angedachten Zweck der Feuchtigkeitsisolierung ist die Zirkulation ansonsten nicht schädlich, sondern sogar erwünscht.
Janika Kemmerer (Energieheld): Wieso sollte der Hohlraum bei der Sanierung gedämmt werden? Kann nicht einfach eine neue Dämmschicht von außen aufgesetzt werden?
Norbert Eversloh (Everisol): Natürlich kann auch eine Dämmschicht vorgesetzt werden. Als ersten Schritt würde ich immer eine Kerndämmung empfehlen, also eine vollflächige Verfüllung des Hohlraumes mit zulässigem Kerndämmstoff. Vorausgesetzt die Fassade ist intakt und der Hohlraum wurde zuverlässig geprüft.
Aber Vorsicht! Niemals vor eine unverfüllte Luftschicht! Egal, wie gering der Hohlraum ist. Das wird gelegentlich gemacht. Energetisch wird dadurch das WDVS nahezu wirkungslos! Im Zusammenhang mit hocheffizienten Fenstern sind Schimmelprobleme vorprogrammiert. Stellen Sie sich vor Sie gehen mit leichter Unterbekleidung und einer dicken hochwertigen Daunenjacke bei minus 10 Grad C in den Schneesturm… Der Reißverschluss ist leider kaputt. Sie schließen nur die Knöpfe der Jacke. Der eisige Wind pfeift durch den Zwischenraum Ihres Körpers und der Jacke. Ihr Körper kühlt aus, die Jacke wirkt an bestimmten Stellen nicht wirklich da der eisige Wind durchzieht! Was wäre, wenn der Reißverschluss intakt wäre? Die Jacke winddicht verschlossen? Ihr Körper bleibt gleichmäßig warm. Ähnlich ist es bei einem Haus. Ausgekühlte Wände fördern Schimmelbildung in der Wohnung und Dämmung bekommt einem schlechten Ruf. Obwohl Sie nichts dafür kann.
Deshalb sollte immer vorher die Konstruktion genau geprüft und Hohlräume/Luftschichten mit Kerndämmung, zum Beispiel Einblasdämmung, verfüllt werden. Gerade Spaltmaße unter 4 cm sind gut mit speziellem Polyurethanschaum zur Verfüllung und statischen Verfestigung zu vergießen. Erst dann das WDVS ordnungsgemäß (hohlraumfrei) anbringen.
Janika Kemmerer (Energieheld): Muss der Hohlraum immer gedämmt werden oder gibt es auch andere Möglichkeiten?
Norbert Eversloh (Everisol): Zwingend muss der Hohlraum nicht gedämmt werden. Es gibt auch immer noch die Möglichkeit der Innendämmung. Ist relativ aufwändig, und vermindert den Wohnraum. Wenn gedämmt werden soll und Z.B. eine Dämmung der Luftschicht technisch nicht umsetzbar ist kann es eine gute Alternative oder Ergänzung sein.
Tipps zu Dämmstoffen
Janika Kemmerer (Energieheld): Was passiert nach der Hohlraumverfüllung mit Feuchtigkeit, die dort von außen oder innen eindringt?
Norbert Eversloh (Everisol): Wenn alles richtig gemacht wurde, leitet der Dämmstoff keine Nässe von außen nach innen weiter. Die Fassade sollte grundsätzlich intakt & schlagregendicht sein. Es gibt diffusionsdichtere und offene Systeme auch die Feuchtigkeitsbeständigkeit schwankt zwischen den Produktmöglichkeiten. Alle baurechtlich zugelassenen Kerndämmstoffe funktionieren mit Sicherheit, vorausgesetzt sie wurden richtig angewandt.
Janika Kemmerer (Energieheld): Welche Dämmstoffe eignen sich für die Hohlraumverfüllung und wo liegen die Unterschiede?
Norbert Eversloh (Everisol): Üblicherweise werden lose Schüttdämmstoffe verwendet, zum Beispiel EPS-Granulat, also synthetischem Material, oder die natürliche Mineralwolle. Wichtig ist, dass sie wasserabweisend sind.
Kosten, Förderung und Co. – Lohnt sich die Kerndämmung?
Janika Kemmerer (Energieheld): Mit welchen Kosten muss ich bei der Maßnahme für ein durchschnittliches Wohnhaus rechnen?
Norbert Eversloh (Everisol): Das kann zwischen 2.000 € – 12.000 Euro liegen, je nach Größe, Hohlraum und System.
Janika Kemmerer (Energieheld): Lohnt sich die Sanierung überhaupt finanziell oder wird kaum Energie dadurch eingespart?
Norbert Eversloh (Everisol): Gerade die Kerndämmung lohnt in der Regel immer. Vorausgesetzt natürlich, sie ist ordnungsgemäß verbaut. Wie schnell sich ein System amortisiert, kommt auf viele verschiedene Umstände an. Beispiel: Einblasdämmung mit Zellulose bei oberster Geschossdecke: Hier gibt es Amortisationzeiten von ca. 2 Jahren. Kerndämmung der Luftschichten im zweischaligen Mauerwerk: ca. 4 – 6 Jahre. Polyurethanverschäumung hat zwar die höchste Effizienz, ist aber als System Material & Verarbeitung relativ kostspielig: ca. 10 – 15 Jahre.
Janika Kemmerer (Energieheld): Welche Fördermöglichkeiten gibt es für eine Einblasdämmung?
Norbert Eversloh (Everisol): Von der KfW gibt es auf jeden Fall die Förderprogramme 152 (Kredit) und 430 (Zuschuss), wenn es nur um die Kerndämmung geht. Falls Sie noch mehr vorhaben, lohnen sich auch andere KfW-Förderungen oder Zuschüsse von der Bafa.
Was ist mit den Risiken?
Janika Kemmerer (Energieheld): Sind die synthetischen Dämmstoffe eigentlich gesundheitsgefährdend oder unbedenklich?
Norbert Eversloh (Everisol): In Deutschland grundsätzlich unbedenklich! Bisher hatten wir in Deutschland strenge nationale Zulassungen. Es gibt aber immer schwarze Schafe… z. B. UF-Schaum (Urea-Formaldehyd-Schaum) ist nicht zu empfehlen und vom Stand der Technik lange überholt.
Auch im Ausland gibt es andere Regeln, deshalb Obacht bei ausländischen Anbietern! Wenden Sie sich im Zweifelsfalle an Architekten oder Bauingenieure, Energieberater oder den FVED. Verbraucherzentralen sind inzwischen auch geschult.
Janika Kemmerer (Energieheld): Wie verändert sich die Brandgefahr eines Wohnhauses, wenn nachträglich gedämmt wird?
Norbert Eversloh (Everisol): Natürlich, die Brandkatastrophe in England hat einiges verändert und sensibilisiert. Dies betrifft aber in erster Linie von außen angebrachte Dämmsysteme. Außerdem war der Grenfell-Tower von außen gar nicht gedämmt! Gebrannt hat dort die Außenverkleidung aus Aluminium. Grundsätzlich entsprechen die nationalen Systeme strengen Brandvorschriften. Gerade bei der Kerndämmung ist der Dämmstoff noch zusätzlich durch die Mauerwerksschalen geschützt.
Janika Kemmerer (Energieheld): Herr Eversloh, besten Dank für das interessante Gespräch!
Fazit
Lieber Leserinnen und Leser,
eine Kerndämmung wie die Hohlraumverfüllung, zum Beispiel mit einem Einblasverfahren, bietet eine sehr gute Dämmwirkung mit vergleichsweise geringen Kosten. Das Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugt viele, weshalb die Einblasdämmung auch eine der gängigsten Saniermaßnahmen ist.
In jedem Fall sollten Sie sich vorher informieren und prüfen lassen, ob auch andere Maßnahmen für ihr Wohnhaus sinnvoll sind oder sogar vorher umgesetzt werden sollten. Dann greifen auch andere Fördermittel und die Investition lohnt unter Umständen noch mehr. Mehr Informationen und Beratung finden Sie auf energieheld.de und unserem Youtube-Kanal.
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