Größte Wärmepumpe der Welt - von der Öl-Stadt zum grünen Vorreiter
Von Nina GrimmeißIm dänischen Esbjerg entsteht derzeit die größte Wärmepumpe der Welt, die Wärme für die ganze Stadt produzieren soll. Einst war Esbjerg bekannt als DIE Öl-Stadt Dänemarks. Das soll sich nun ändern. Die Idee für die Wärmepumpe entstand in Deutschland – genauer gesagt in Augsburg.
Das Projekt gilt als Meilenstein in der Nutzung erneuerbarer Energien. Mit einer Leistung von rund 50 Megawatt wird die Wärmepumpe Abwärme aus der Nordsee und Energie aus erneuerbaren Quellen nutzen.
Tschüss Kohlekraft, hallo Wärmepumpe – eine Stadt im Wandel
Die größte Wärmepumpe der Welt – der Bürgermeister von Esbjerg hat sich ein beachtliches Ziel gesteckt. Rund 100.000 Dänen bzw. 25.000 Haushalte soll die Wärmepumpe einmal mit Wärme eindecken. Genauer gesagt ab Ende Juni 2024 – dann nämlich wird das örtliche Kohlekraftwerk abgeschaltet, das die Stadt gerade mit Warmwasser versorgt. Ein krasser Wandel.
Generell hat die Stadt in den vergangenen Jahrzehnten einen ziemlichen Wandel hingelegt: Esbjerg galt lange Zeit als DIE Öl-Stadt Dänemarks. Reich geworden ist die Stadt nämlich mit Öl und Gas. In den 60er Jahren wurden die ersten Öl- und Gasfelder im dänischen Meeresboden gefunden und Esbjerg war das Zentrum dieser Offshore-Industrie. Mittlerweile ist Esbjerg ein Zentrum für Offshore-Windräder. Und nun soll das Kohlekraftwerk, das derzeit die Esbjerger mit Wärme und Strom versorgt, durch die größte Wärmepumpe der Welt ersetzt werden. Ursprünglich geplant war, diese ab März 2023 in Betrieb zu nehmen, wegen des Ukraine-Kriegs und Angst vor Energiemangel verschob sich das Datum.
Technologie aus Deutschland
Entwickelt wurde die 70-Megawatt-Anlage von Ingenieuren des deutschen Unternehmens MAN Energy Solutions aus Augsburg. Mit der Anlage erfüllt die Firma genau die Anforderungen des Bürgermeisters von Esbjerg.
Gemeinsam wollen die Stadt Esbjerg und MAN die Klimaneutralität Esbjergs bis 2030 erreichen: Bis jetzt verhagelt die Wärmeversorgung die Klimabilanz von Esbjerg: Das Warmwasser nämlich wird einen zur Hälfte vom Kohlekraft gewonnen, zur anderen Hälfte aus der Abwärme einer Müllverbrennungsanlage. Das wird sich bald ändern.
So funktioniert die größte Meerwasser-Wärmepumpe der Welt
Die Wärmepumpe funktioniert folgendermaßen: Meerwasser – insgesamt 4.000 Liter pro Sekunde – wird durch Rohre herangepumpt. Die Wassertemperatur beträgt etwa 1 bis 15 Grad – die Temperatur reicht aus, um im Inneren der Anlage flüssiges CO2 zum Verdampfen zu bringen. In verschiedenen Maschinen wird es weiter verdichtet und komprimiert und erhitzt sich weiter. So entsteht letztlich Wärme. Das heiße Gas erhitzt das Heizungswasser. Das abgekühlte Meerwasser wird zurück in die Nordsee geleitet: Kurzum: Die Wärme des Meerwassers wird genutzt, um noch höhere Temperaturen zu erzeugen und dann die Haushalte in Esbjerg mit Wärme zu versorgen.
Aber Moment mal – CO2? Ist das nicht auch umweltschädlich? Nicht in diesem Fall. Das flüssige CO2 wird lediglich als Kältemittel verwendet – tritt also nicht in die Atmosphäre. Außerdem ist CO2 natürlich, es wäre also nicht schlimm, sollte einmal etwas austreten. Normalerweise verwenden Wärmepumpen synthetische Varianten als Kältemittel, die eine umweltschädliche Wirkung haben. CO2 gilt somit als deutlich weniger schädlich.
Die Kompressoren jedoch sind große Stromfresser. Aber auch dafür gibt es eine Lösung: Die Kompressoren werden mit den Offshore-Windparks in Esbjerg betrieben, die oftmals zu viel Strom produzieren. Bleibt der Wind mal aus, gibt es einen riesigen Warm-Wasser-Tank, der als Reserve herhält.
Pelletheizung unterstützt Wärmepumpe
Ein großes Manko gibt es jedoch: Die Wärmepumpe ersetzt nicht das komplette Kohlekraftwerk. Ein Pellet-Heizkraftwerk, das Holzabfälle verbrennt, soll unterstützen. Die Holzabfälle stammen etwa vom Bau von Holzhäusern aus Dänemark – aber auch aus anderen Ländern und müssen importiert werden. Das Pellet-Heizkraftwerk kann fast so viel Leistung beisteuern wie die Wärmepumpe. In der Klimabilanz von Esbjerg macht sich die Holzverbrennung sowie der Import von Holzabfällen allerdings nicht gut. Denn: CO2 wird freigesetzt, genauso wie Methan und Lachgas und Feinstaubpartikel gelangen in die Umwelt.
Mit der Pelletheizung will Esbjergs Bürgermeister das Risiko verteilen und sich nicht komplett abhängig von einer neuen Technologie machen. Ein weiterer Punkt: Kosten. Wenn der Strom grade teuer ist, weil es windstill ist, muss auf das Heizkraftwerk zurückgegriffen werden.
Größte Wärmepumpe der Welt: rentabel – ja oder nein?
Wie viel CO2 kann denn nun eingespart werden mit der größten Wärmepumpe der Welt? 60 bis 100 tausend Tonnen gegenüber einem Kohlekraftwerk. Das entspricht dem CO2 Ausstoß von 55.000 Fahrzeugen, die ein Jahr lang fahren. Eine recht große Spanne, die davon abhängt, wie viel der Strom kostet, wie kalt es im Winter ist oder wie viel die Pelletheizung letztendlich zusteuern muss und so weiter. Insgesamt 6 Prozent CO2 können mit der Wärmepumpe in Esbjerg im Vergleich zu 2019 eingespart werden. Das zeigen Berechnungen einer Beratungsfirma.
Das ist ein großer Schritt in Richtung Klimaneutralität bis 2030. Man sieht aber: Damit allein ist es allerdings nicht getan, die Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen. Eine weitere Rolle spielt Windkraft. In Esbjerg wird derzeit eine weitere Anlage gebaut, die mit grünem Strom Wasserstoff herstellen kann.
Fazit und Ausblick: Verschläft Deutschland die Wärmewende?
Energieversorgung in Dänemark vs. Deutschland
In Dänemark werden Klimaziele nicht mehr diskutiert. Dass sich etwas ändern muss, darüber sind sich alle einig. Öl- und Gasheizungen sind bereits seit 10 Jahren in Neubauten verboten. Proteste bleiben aus.
Generell sieht es in Dänemark anders aus als in Deutschland, was die Wärmeversorgung angeht: Esbjerg hat wie viele andere dänische Städte Fernwärme. Ändert man die Quelle der Fernwärme, legt man so den Hebel für Tausende Haushalte gleichzeitig um. In Dänemark sind 65 Prozent der Haushalte an ein Fernwärmenetz angeschlossen. In Deutschland lediglich 14 Prozent. Somit kommt die Wärme hierzulande meist aus dem eigenen Keller und ist meist umweltschädlich erzeugt aus einer Öl- oder Gasheizung.
Außerdem: Nicht einmal 5 Prozent aller Haushalte in Deutschland heizen mithilfe einer Wärmepumpe. Der Ausbau läuft eher zäh. Das will die deutsche Regierung ändern. Mit dem Ausbau der Wärmepumpe, aber auch von Fernwärme. Bis 2045 soll sich verdreifachen. 70 Prozent der Fernwärme entsteht aktuell durch Verbrennung von Erdgas oder Kohle. Nur ein kleiner Teil wird klimafreundlich erzeugt. Diesen Anteil will die Regierung nun erhöhen.
Ähnliche Projekte in Deutschland
Für deutsche Ingenieure ist die Wärmepumpe in Esbjerg ein Vorbildprojekt. Auch hierzulande sind Großprojekte geplant. In Mannheim nahm Ende 2023 die erste Flusswärmepumpe Europas den Betrieb auf. Die 20-Megawatt-Anlage soll 3.500 Haushalte mit Wärme versorgen. Oder in Hamburg, in dessen Klärwerk die erste Abwasser-Wärmepumpe Deutschlands mit 60 Megawatt (zum Vergleich: Esbjergs Wärmepumpe hat 70 Megawatt) gebaut wird. Dadurch können etwa 39.000 Haushalte versorgt werden. Weitere ähnliche Projekte – unter anderem Meerwasser-Wärmepumpen – sind in einigen deutschen Städten bereits in Planung.
Großwärmepumpen könnten einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaneutralität bis 2045 darstellen. Nach Erkenntnissen des Fraunhofer-Instituts könnten bis 2045 Großwärmepumpen sogar 70 Prozent der Fernwärmeversorgung sicherstellen und somit einen Großteil des Erdgases ersetzen. Langfristig ließe gesamte deutsche Wärmenachfrage vollständig durch Wärmepumpen decken. Voraussetzung dafür ist klimafreundlich erzeugter Strom – etwa durch Wasser oder Wind.
Nachtrag: Erste Wärme für Esbjerg
05.12.2024
Laut einer offiziellen Pressemitteilung auf der MAN-Website wurde Ende November 2024 ein bedeutender Meilenstein im Projekt erreicht: Die erste der beiden geplanten Großwärmepumpen ging erfolgreich in Betrieb und lieferte die erste klimaneutrale Wärme für die Stadt Esbjerg. Sie ist derzeit die weltweit größte CO2-basierte Meerwasserwärmepumpe und liefert jährlich rund 280.000 MWh nachhaltige Wärme in die Fernwärmenetze von Esbjerg und Varde. Mit ihr und ihrem "Zwilling", welcher sich aktuell noch im Bau befindet, soll der Bedarf von 25.000 Haushalten abgedeckt werden und der jährliche Ausstoß von CO2 um 120.000 Tonnen reduziert werden.
Zur Autorin: Nina Grimmeiß
Nina Grimmeiß ist ausgebildete Redakteurin und studierte Kommunikationswissenschaftlerin. Seit 2023 bei Energieheld, begeistert sie sich dafür, Themen rund um erneuerbare Energien verständlich zu vermitteln. Ihr Engagement für Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie der enge Austausch mit Energieberatern und Sanierungsmanagern sind ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. Hier gelangen Sie zu Ninas LinkedIn Profil.