Der Energiewende-YouTuber
Die Energiewende ist ein beliebtes Stichwort, um mehr Nachhaltigkeit und bessere Klimapolitik zu fordern. Dabei ist die technische Umsetzung viel komplizierter und umfasst Themen wie Stromspeicher, Sektorenkopplung und Co. Klaus Russell-Wells hat deshalb den YouTube-Kanal joul gegründet, um Fragen und Vorstellungen rund um Energiewende zu beantworten.
Darum gehts im Interview:
Worum gehts bei joul?
Energieheld: Lieber Klaus, du erklärst auf YouTube die technischen Zusammenhänge und Hintergründe zur Energiewende und Nachhaltigkeitsthemen. Wie kamst du dazu?
Klaus Russell-Wells: Ich arbeite jetzt schon seit einigen Jahren an verschiedenen Energiewendeprojekten. Dabei versuche ich immer, sowohl die technisch-wissenschaftlichen Aspekte im Blick zu haben, als auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit aktiv zu sein, um diese Projekte allen Interessierten zugänglich zu machen. In dem Zusammenhang halte ich also Vorträge, biete Führungen an und erstelle Broschüren und Flyer. Denn auch die besten Projekte führen nicht weit, wenn sie nicht verstanden werden und es keine Akzeptanz bzw. keinen Rückhalt dafür in der Bevölkerung gibt.
Irgendwann kam dann die Überlegung, dass ich diese Themen, in deren Recherche und Aufbereitung ich ja viel Arbeit stecke, auch einem viel breiteren Publikum zugänglich machen könnte. Schließlich sind viele der Themen ja so allgemein, dass sie nicht nur lokal von Interesse sind, sondern jeden auf eine Art etwas angehen. Und so habe ich vor 2 Jahren angefangen, immer wenn Zeit war, Videos zu diversen Energiewende- und Nachhaltigkeitsthemen zu drehen und zu veröffentlichen.
Das Ganze nennst du „Energiewendekommunikation“. Verfolgst du mit deiner Arbeit ein konkretes Ziel?
In erster Linie ist mein Ziel, Menschen für Themen zu begeistern, von denen sie gar nicht geahnt hätten, wie interessant sie sein können. Zu zeigen, welche faszinierenden Hintergrundzusammenhänge dahinterstecken, die man im Alltag gar nicht so auf dem Schirm hat.
Darüber hinaus möchte ich damit aber auch hier und da bestimmte Missverständnisse oder Vorbehalte aufklären, die sich teilweise hartnäckig halten, obwohl sie bereits lange geklärt sind. Wichtig ist mir dabei, nicht belehrend zu wirken, sondern auf Augenhöhe zu kommunizieren. Ich glaube, ich habe meine Ziele erreicht, wenn Zuschauer sich hinterher sagen, „hey, das war ja interessant – damit hätte ich gar nicht gerechnet. Zu dem Thema schaue/lese ich mir gerne mal mehr an.“
Stand der Energiewende – Wo hakts?
Was sind die drei wichtigsten Maßnahmen, um die Energiewende endlich erfolgreich umzusetzen?
Die wichtigste Maßnahme ist aus meiner Sicht die Einführung einer sektorübergreifenden CO2-Abgabe. Von mir aus gerne schrittweise eingeführt, aber mit dem Ziel, perspektivisch die die wahren Umweltkosten fossiler Emissionen widerzuspiegeln (eigentlich sollte es sowas auch für CO2-unabhängige Ewigkeitskosten, wie nuklearen Endlagern oder der Wasserhaltung in Berg-/Tagebaugebieten geben). Ich finde es nicht richtig, erneuerbare Energien aufwendig, teuer und bürokratisch zu fördern, während die konventionellen Energien, die ja die eigentlichen Kosten und Schäden verursachen, so (vermeintlich) günstig bleiben. Die sind ja nur deshalb günstig, weil eben nicht alle damit verbunden Kosten berücksichtigt werden. Mit einer entsprechenden CO2-Abgabe würden fossile Energien in allen Sektoren selbst für ihre verursachten Kosten aufkommen müssen, erneuerbare Energien wären technologieunhabhängig viel schneller wettbewerbsfähig und man könnte die Einnahmen aus dieser Abgabe nutzen, um Einkommensschwächere zu entlasten und so die Energiewende sozial gerechter gestalten.
Weitere Maßnahmen wären Flexibilisierung und Sektorenkopplung, aber die würden auch ganz automatisch aus einer CO2-Abgabe resultieren. Und dann ist da natürlich die Energiewendekommunikation: Menschen mitnehmen und den ganzen Prozess der Energiewende transparent gestalten, sodass jeder immer sehen kann was bereits geschafft ist und was noch vor uns liegt.
Die Energiewende findet sehr langsam statt und der deutsche und weltweite CO2-Ausstoß steigen sogar an. Wo liegt das größte Problem?
Naja, bisher ist ja auch nicht viel passiert, um den CO2-Ausstoß ganz konkret zu bremsen. Auf europäischer Ebene haben wir zwar das Emissionshandelssystem, das hat aber aufgrund des Überschusses an verfügbaren Emissionsrechten nur eine überschaubare Wirkung. Und in Deutschland besteht die Energiewende ansonsten ja bisher im Großen und Ganzen nur aus einer Förderung der Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse. Dieser Strom verdrängt zwar auch fossilen Strom vom Markt – und damit auch dessen CO2-Emissionen – was gut ist! Aber das allein reicht ja nicht für eine vollständige Energiewende. Solange Braunkohlekraftwerke noch laufen (die auch dann, wenn sie gerade nicht gebraucht werden, nicht kurzfristig abgeschaltet werden können, sondern stattdessen sowohl die Netze verstopfen als auch ihren Überschussstrom an unsere Nachbarländer verkaufen), wird unser CO2-Ausstoß im Stromsektor nicht wesentlich zurückgehen. Das bedeutet, die steuerbare Leistung, die diese Kraftwerke zurzeit noch zur Verfügung stellen, muss anders bereitgestellt werden – durch flexible Biogaskraftwerke und anderen Speichervarianten.
Und all das betrifft ja nur den Stromsektor. Die größeren Baustellen liegen ja in der Wärmeversorgung und Mobilität. Da haben wir momentan noch keinen konkreten politischen/regulatorischen Ansatz – im Gegenteil! Es werden ja z.B. sogar noch Brennwertkessel für fossile Energieträger gefördert.
Welche Funktion erfüllen Stromspeicher bei der Energiewende?
Stromspeicher sind ein wichtiger Aspekt für die Energiewende. Welche Speicher gibt es eigentlich?
Jede Menge! Die Antwort hängt jetzt davon ab, wie man die unterschiedlichen Speicher kategorisiert bzw. betrachtet: In welcher Form soll die Energie gespeichert werden? Da gibt es elektrische Speicher, chemische Speicher, Lageenergiespeicher usw. Wie lange sollen sie die Energie speichern? Sekunden bis Minuten, Stunden bis Tage, oder Wochen bis Monate? Und natürlich: Zu welchem Zweck werden sie eingesetzt? Sollen sie das Netz stabilisieren, sollen sie PV- und Windenergieanlagen ausgleichen? Oder ist das Ziel, einen möglichst hohen Autarkiegrad zu erreichen? Weil jeder Speichertyp bestimmte Eigenschaften und Vor- und Nachteile hat, eignen sie sich jeweils für bestimmte Situationen gut, für andere weniger.
Was sind die Vor- und Nachteile der Speichertypen?
Nachteile könnten z.B. der hohe Preis von Batterie- oder Redox-Flow-Speichern sein. Oder der Flächenbedarf und das geringe Ausbaupotenzial von Pumpspeicherkraftwerken. Oder der Wirkungsgrad von Power-to-Gas. Jede Technologie hat Nachteile. Das heißt aber nicht, dass sie nicht sinnvoll wären. Denn sie haben ja auch entsprechende Vorteile. Sei es die erreichbare Energiedichte und vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten von Power-to-Gas, der Wirkungsgrad von Li-Ionen-Speichern, die Trennung von Leistung und Kapazität bei Redox-Flow-Speichern. Je nachdem, was man damit vor hat, kommen eben bestimmte Technologien/Varianten infrage.
Was müsste sich ändern, dass die Stromspeicher noch effektiver sind und effizienter genutzt werden?
Da Stromspeicher mit ihrer steuerbaren Leistung und Möglichkeit zur Netzstabilisierung ja eine ganz wichtige Rolle für die Energiewende spielen, sollten sie einerseits im Strommarkt von unnötigen Abgaben, wie der EEG-Umlage und Netzentgelten, befreit werden. Denn der Einsatz von Stromspeichern am Markt führt ja perspektivisch dazu, dass diese beiden Abgaben für alle sinken.
Andererseits werden Speicher automatisch effektiver genutzt, sobald sich das Marktumfeld entsprechend ändert. Wenn Kern- und Kohlekraftwerke den Markt verlassen, wird es wieder deutlichere Preisschwankungen am Spotmarkt geben (je nachdem ob die Sonne scheint und/oder der Wind weht), wodurch es für Betreiber von Speichern viel attraktiver wird, den Strom zu günstigen Zeiten zu kaufen und in Zeiten hoher Preise wieder anzubieten. Aktuell sind die Preisschwankungen durch das Überangebot aus konventionellen Kraftwerken so klein, dass es relativ uninteressant ist, einen Speicher am Spotmarkt zu betreiben (anders kann es im Bereich der Regelenergie aussehen, aber das ist ein ganz eigener Markt, in dem es nur um die Netzstabilisierung geht).
Energiewende für alle : Einfach erklären, Vorurteile abbauen und gute Tipps
Was gefällt dir bei der Energiewendekommunikation und speziell den YouTube-Videos besonders gut?
Youtube ist nicht bloß Videoplattform, sondern ein soziales Netzwerk. Genau darin liegt aus meiner Sicht der Unterschied zum Fernsehen. Klar, man kann sich auch aussuchen was man sehen will und wann man es sehen will, aber der wesentlichere Unterschied liegt für mich in der Interaktion. Im Gegensatz zu klassischen Medien ist Youtube keine kommunikative Einbahnstraße, sondern ermöglicht es viel direkter, mit den Zuschauern in Kontakt zu treten und zu diskutieren. Es baut sich ganz schnell eine Gemeinschaft auf, die mitredet und Fragen stellt. Auf genau diese Fragen kann ich dann in späteren Videos eingehen – das ist großartig! Davon profitieren beide Seiten.
Welche Vorurteile oder falsche Annahmen zur Energiewende begegnen dir?
Oh, da gibt es viele. Auch in allen möglichen Bereichen. Sei es, dass die Reichweite von E-Autos zu gering ist, dass erneuerbare Energien Schuld an negativen Börsenstrompreisen sind, oder dass Wärmenetze in ländlichen Regionen nicht sinnvoll sein können. Und oft ist da aus einer bestimmten Perspektive auch was dran, aber trotzdem werden andere wichtige Aspekte außer Acht gelassen, sodass diese Aussagen so pauschal gar nicht richtig sind.
Für meine Videos ist das Schöne daran, dass damit schon kleine „Konflikte“ vorhanden sind, die mir helfen, einen Spannungsbogen aufzubauen und Zuschauer für das Thema zu interessieren. Wenn man sich denkt, „Hey, das mit den negativen Strompreisen hab ich auch schon mal gehört! Aber warum soll das denn nicht stimmen? Das klingt doch eigentlich logisch…“, dann ist ja schon der erste Schritt geschafft, sich etwas tiefer mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Wie können wir als Verbraucher unseren Beitrag zur Energiewende leisten?
- Dachflächen für Photovoltaik nutzen
- Zu richtigem Ökostromtarif wechseln (Grüner Strom Label und/oder ok-power-Siegel)
- Heizverhalten bewusst im Blick haben – nach Möglichkeit nicht mit Heizöl oder Erdgas heizen
- CO2-arme Mobilität: nach Möglichkeit mit dem Fahrrad, längere Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln; was sich anders nicht abdecken lässt mit dem E-Auto – am besten in der Reihenfolge. (Bei E-Autos Car-Sharing prüfen – ist für gelegentliche Fahrten erheblich günstiger als eine eigene Anschaffung)
- Divestment: Geld nachhaltig anlegen und auch mit Girokonto zu nachhaltiger Bank wechseln
- Weniger „das geht doch gar nicht“ sagen. Wo ein Wille ist, ist ein Weg. (Und wer nicht will, findet eben Gründe dagegen.)
Lieber Klaus, vielen Dank für das spannende Interview!
Fazit
Liebe Leserinnen und Leser,
um den fortschreitenden Klimawandel aufzuhalten, ist die Energiewende eines der zentralen Themen, das möglichst zeitnah umgesetzt werden muss. Dazu gehören neben Strom, Wärme und Verkehr natürlich auch Energieeffizienz und insbesondere die Verbindung dieser Sektoren.
Die Energiewende kann nur politisch umgesetzt werden, aber Verbraucherinnen und Verbraucher haben trotzdem einen großen Einfluss darauf, welche Entscheidungen getroffen werden. Wer bewusst auf Ökostrom, CO2-arme Möbilität, Energiesparen und Co. setzt, zeigt damit auch, wie wichtig ihm oder ihr die Energiewende und nachhaltiges Wirtschaften sind.
Mehr Informationen finden dazu Sie hier auf unserem Blog und natürlich auf energieheld.de.
Quellen:
Titelbild: Pixabay.com © Nikiko
Bild: joul / © Klaus Russell-Wells