Interview: Katja Gieseking von der GASAG Berlin
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen.
Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. Anschließend wird ein Ausblick auf Trends sowie Tipps gegeben, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.
Zu Gast: Katja Gieseking von der GASAG Berlin
Katja Gieseking, in Saarbrücken 1967 geboren, ist Diplom-Chemie-Ingenieurin und studierte weiter Philosophie, Politik und Wirtschaft. Von 1992 an war Gieseking für die Stadtwerke München tätig. Zuletzt war sie Geschäftsbereichsleiterin Vertrieb der SWM Versorgungs GmbH. Seit Oktober 2013 ist Gieseking im Vorstand der GASAG Berliner Gaswerke, dem Energiemanager für Berlin und Brandenburg. Sie startete 2014 gemeinsam mit anderen Berliner Managerinnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien die Energiewende-Initiative „Meine Energie für meine Stadt“.
energieheld: Hallo Frau Gieseking, danke dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.
Thema: Erdgas
„Wir haben uns verpflichtet bis 2020 dazu beizutragen, den CO2-Ausstoß um zwei Millionen Tonnen zu reduzieren.“
energieheld: Liebe Frau Gieseking, warum Erdgas und nicht Biogas?
Katja Gieseking: Die Energieversorgung ist leider noch nicht so weit, dass wir vollständig auf fossile Energieträger verzichten können. Die GASAG produziert aber in Brandenburg Biogas, das auf Erdgasqualität aufbereitet und dann in das Erdgasverteilnetz eingespeist wird. Auf diesem Weg gelangt es nach Berlin. Dort wird es beispielsweise in hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder als Beimischung zu Erdgas als Kraftstoff eingesetzt.
energieheld: Doch Erdgas ist endlich, kann nicht günstig auf Vorrat gekauft werden und ist nicht CO2 neutral. Wie geht das mit dem Ziel des Landes zusammen, bis 2020 die CO2-Emissionen in Berlin gegenüber 1990 um 40% zu senken?
Katja Gieseking: Wie alle fossilen Energieträger ist Erdgas endlich, es kann aber gespeichert werden. Der Berliner Erdgasspeicher ist ein Teil der GASAG-Gruppe und kann bis zu einer Milliarde Kubikmeter Erdgas fassen. Damit kann etwa ein Fünftel des Gasverbrauchs der Berliner Haushalte gedeckt werden. Auch das Erdgasnetz dient als Puffer. Die Versorgungssicherheit ist also im Sommer, wie im Winter gesichert.
Erdgas ist unter den fossilen Energien der klimaschonendste, kann in innovativen Technologien wie einer Brennstoffzelle eingesetzt werden und ist sehr gut kombinierbar mit erneuerbaren Energien. Erdgas emittiert rund 20 Prozent weniger CO2 als Heizöl und nur die Hälfte gegenüber Kohle. Das heißt, dass durch einen Energieträgerwechsel auch signifikante und schnelle CO2-Einsparungen erreicht werden können, z.B. durch die Heizungsmodernisierung oder aber den Einsatz von Erdgas bei der Stromerzeugung. Klimaschutz ist politisch und gesellschaftlich gefordert. Die GASAG unterstützt mit ihren Angeboten die Reduzierung von CO2. Das dokumentieren wir mit unserer Klimaschutzvereinbarung, die wir mit dem Land Berlin geschlossen haben. Wir haben uns verpflichtet bis 2020 dazu beizutragen, den CO2-Ausstoß um zwei Millionen Tonnen zu reduzieren.
Thema: Abhängigkeit Deutschlands von anderen Ländern
„Der liberalisierte Markt hat schon seit mehreren Jahren zu einer Entkopplung vom Ölpreis geführt.“
energieheld: USA und Russland sind die beiden Länder mit den höchsten Erdgasvorkommen. Macht sich Deutschland nicht auf jeden Fall von einem der beiden Länder abhängig? Gerade wenn, wie es die Internationale Atomenergiebehörde behauptet, Erdgas bis 2080 zu den wichtigsten fossilen Energieträgern zählen wird?
Katja Gieseking: Dadurch, dass sich die USA mit Erdgas selbst versorgt und sogar zu einem großen Exporteur geworden ist, gibt es mehr Erdgas auf dem Markt. Weitere für den deutschen Markt wichtige Lieferanten sind Norwegen, Niederlande oder Großbritannien. Alle Länder haben großes Interesse daran, ihr gefördertes Erdgas natürlich auch zu verkaufen, wie Russland es beispielsweise auch schon zu Mauerzeiten immer verlässlich getan hat. 1985 wurden die Grenzbefestigungen zwischen DDR und BRD auf einer Länge von 20 Metern geöffnet, um eine Erdgasleitung in das damalige West-Berlin legen zu können.
energieheld: Ist der Erdgaspreis bei GASAG an den Ölpreis gekoppelt? Wird dadurch nicht die Abhängigkeiten zu z. B. Russland gestärkt?
Katja Gieseking Ölpreisbindung und Liefersicherheit sind zwei voneinander unabhängig zu betrachtende Aspekte. Der liberalisierte Markt hat schon seit mehreren Jahren zu einer Entkopplung vom Ölpreis geführt. Wir profitieren von der guten Ausstattung dieses Marktes mit Erdgas und können so unsere Einkaufspolitik weiter optimieren. Und die Versorgungssicherheit ist über die Diversifizierung der Lieferländer gewährleistet. Mit den USA könnte hier perspektivisch ein weiterer Lieferant eine große Rolle spielen.
energieheld: Was hätte die von Russland geplante Erdgas-Pipeline South Stream für Folgen gehabt?
Katja Gieseking: Deutschland wird hauptsächlich über die Ostsee-Pipeline mit russischem Erdgas versorgt. Der angekündigte Stopp des Baus der South Stream Leitung trifft vor allem Südeuropa. Hier ist meines Erachtens jetzt die Politik gefragt.
energieheld: Unsere Gretchen-Frage an Sie: Wie stehen Sie zum Fracking bzw. ganz allgemein zur Förderung aus unkonventionellen Lagerstätten.
Katja Gieseking Fracking darf keine Belastung für Mensch und Umwelt sein. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht entsprechende Genehmigungsprozesse vor. Eine Kommission mit verschiedensten Experten muss die einzelnen Vorhaben bewerten. Deren Votum muss von den zuständigen Landesbehörden und der Regierung des betreffenden Bundeslandes bestätigt werden. Diese Hürden sind m.E. in einem dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik gut und wichtig.
energieheld: E.ON vollzieht die Energiewende. Was bedeutet das für GASAG, wenn E.ON nur noch Ökostrom produziert? Schließlich hält E.ON über die Tochter E.ON Energy Sales GmbH 36,9 Prozent an GASAG?
Katja Gieseking E.ON richtet den Fokus zukünftig auf die effiziente Versorgung der Kunden, auf die Erzeugung Erneuerbarer Energien und die für die Integration erforderliche Netzinfrastruktur. Das passt sehr gut zusammen mit dem, was die GASAG für sich bereits vor zwei Jahren als Unternehmensstrategie definiert hat Und auch die GASAG liefert mittlerweile Strom, natürlich in Ökoqualität.
Die GASAG-Gruppe will sich in den nächsten Jahren vom Energielieferanten zum ganzheitlichen Energiemanager für Berlin und Brandenburg entwickeln. Dazu gehören neben medienübergreifenden Energielösungen auch eine umfassende Expertise für energetische Sanierung in Neubau, Bestand und öffentlichen Gebäuden. Wir sind dabei schon auf gutem Weg. Konkrete Beispiele wie die Degewo-Anlage Mariengrün, das neue Wohnviertel am Britzer Garten oder das denkmalgeschützte Ullsteinhaus zeigen das.
Thema: Projekt Ullsteinhaus
„Um den Strombedarf Berlins zu decken, würden die Dächer der Hauptstadt aber nicht ausreichen.“
energieheld: Zur Umwelt zurück. Sie waren auch einer der Premiumpartner der Themenwoche „Berlin spart Energie“ 2014. In dieser Reihe stellten Sie das Projekt Ullsteinhaus vor, das mit einem effizienten Heizungssystem ausgestattet ist. Bitte erklären Sie kurz worum es bei diesem Projekt geht.
Katja Gieseking: Im Ullsteinhaus gelingt Klimaschutz ohne jeden Eingriff in die denkmalgeschützte Fassade. Um rund 2.850 Tonnen wird der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid pro Jahr reduziert. Dies entspricht dem CO2-Ausstoß für Heizung und Warmwasser von etwa 750 Einfamilienhäusern. Möglich wird das durch den Einsatz modernster Technik. Kernstück ist ein Blockheizkraftwerk, das nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeitet. Das bedeutet, neben Wärme wird auch Strom produziert. KWK-Anlagen nutzen den Brennstoff zu 90 Prozent aus. Beim grünen Blockheizkraftwerk im Ullsteinhaus geht die GASAG noch einen Schritt weiter, denn hier wird ausschließlich Bio-Erdgas eingesetzt. Das Bio-Erdgas produziert die GASAG selbst in einer Anlage im Nord-Osten Brandenburgs.
energieheld: Das Ullsteinhaus ist ein Projekt in Berlin. Was sind Ihrer Meinung nach wichtige Energie- und Klimaschutzkonzepte in Städten?
Katja Gieseking: Klar ist, die Energiewende findet vor allem in den Städten statt. Um den Strombedarf Berlins zu decken, würden die Dächer der Hauptstadt aber nicht ausreichen. Die Herausforderung besteht darin, Erneuerbare Energien in die Ballungszentren zu holen. Viel kann auch durch den Einsatz hocheffizienter Technologie erzielt werden. Rund 20 Prozent des Berliner Wärmebedarfs wird immer noch mit alten Ölkesseln erzeugt. Gerade der Wärmesektor bietet also ein riesiges Potenzial, um sehr günstig CO2 zu mindern.
energieheld: Welcher Beitrag kann in diesem Zusammenhang der Ausbau der Fernwärmeversorgung leisten?
Katja Gieseking: Fernwärme ist eine Möglichkeit, die Klimaschutzziele in dichter Wohnbebauung zu erreichen: Man muss sich dann natürlich genau anschauen, mit welcher Technologie und mit welchen Einsatzstoffen die Wärme erzeugt wird. Die Größe eines Netzes ist zudem abhängig von den Kraftwerkskapazitäten. Die Versorgung mit Erdgas ist flexibler. Sie ist am Ort direkt kombinierbar mit Erneuerbaren Energien, man kann sich die gewünschte Heiztechnologie aussuchen, von einem Brennwertgerät über eine Mikro-KWK-Anlage bis hin zur Brennstoffzelle. Außerdem wichtig: Der Kunde kann außerdem unter einer Vielzahl von Erdgaslieferanten wählen und damit ständig seine Energiekosten optimieren.
energieheld: Wie wichtig sind dezentrale Strukturen in Städten? Sollte jeder Haushalt ein eigenes Mikro-BHKW besitzen?
Katja Gieseking Dezentral heißt nicht, dass in jedem Haus eine KWK-Anlage steht. Es gibt heute natürlich auch schon sogenannte stromerzeugende Heizungen auf dem Markt, die ein Ein- oder Zweifamilienhaus mit Strom und Wärme versorgen kann. Diese Geräte sind allerdings noch relativ teuer. Gerade in Städten kann man auch sehr gut quartiersbezogene Lösungen realisieren – zum Beispiel mit einem Blockheizkraftwerk, das über ein Nahwärmenetz mehrere Mehrfamilienhäuser versorgt. Der in der Anlage vor Ort produzierte Strom kann dann auch an die Mieter direkt und kostengünstig geliefert werden.
Thema: „Meine Energie für meine Stadt“
„Ich selbst fahre seit kurzem ein Erdgasfahrzeug und freue mich, so einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.“
energieheld: Wie kann die Initiative „Meine Energie für meine Stadt“, die Sie mit gestartet haben, dabei helfen?
Katja Gieseking Das Ziel der Initiative ist es, die erneuerbaren Energien mit ihrer schwankenden Energieerzeugung sinnvoll in unser Stromsystem zu integrieren und dafür zu sorgen, dass der CO2 Ausstoß sinkt. Dabei helfen dezentrale Strukturen, egal ob kleine Erzeugungsanlagen, Netze oder Verbraucher, die eine zentrale Steuerung über ein sogenanntes Lastmanagement oder englisch Demand Side Management (DSM) benötigen. Damit sollen Erneuerbare Energien dann besser genutzt werden, wenn sie zur Verfügung stehen, beispielsweise indem das Verbrauchsverhalten angepasst wird. Das geht über den effizienten Umgang mit Energie hinaus und erfordert insbesondere Aktivitäten verschiedener Akteure auf der Verbraucherseite. Meine Energie für meine Stadt will diese Akteure in Berlin zusammenbringen.
energieheld: Die Berliner Zeitung berichtete im August 2014 über die Initiative. Was konnten Sie bis jetzt erreichen? Vor welchen Problemen stehen Sie zurzeit?
Katja Gieseking Ein wichtiges Ziel ist die Information. Unternehmen zu zeigen, was man bei einem so großen Stromverbraucher wie der Stadt Berlin heute schon an Energieeffizienz und Lastverschiebung machen kann. Dazu schaffen wir eine Plattform. Auf der wir das Thema und richtungsweisende Projekte präsentieren.
Diese Plattform soll ein Anlaufpunkt für Berliner Unternehmen sein: Wir wollen zeigen, welche Potenziale es im Bereich Energieeffizienz und Lastmanagement gibt und was wir auf diesem Gebiet bereits erreicht haben.
Und es gibt bereits Lösungen – den Öko-Pool der GASAG. Über diesen können dezentrale Erzeugungs- und auch Verbrauchsanlagen verbunden und zentral, je nach Marktgegebenheiten, optimal ausgesteuert werden. Gemeinsam mit der Wissenschaft wollen wir dabei unterstützen, dass Modelle entwickelt werden, die die richtigen Anreizstrukturen setzen, damit Lastverschiebung nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch für die Unternehmen vernünftig umsetzbar ist.
Aber hier gibt es noch ein großes Problem: Es sind bereits viele Möglichkeiten des DSM identifiziert, die problemlos technisch umgesetzt werden könnten. Aber das rechnet sich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen für viele Unternehmen noch nicht. Daran arbeiten wir.
energieheld: Am Ende des Interviews in unserer Reihe, freuen wir uns immer über fünf Tipps für einen energiesparenden Alltag. Was sind Ihre Tipps?
Katja Gieseking Es gibt viele kleine Tipps, die helfen, Energie einzusparen. Der Ersatz einer Glühlampe durch eine Energiesparlampe ist durchaus nicht die einzige Möglichkeit. In den Bereichen Heizen, Kochen, Waschen sowie Mobilität ist noch sehr viel möglich. Ich selbst fahre seit kurzem ein Erdgasfahrzeug und freue mich, so einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Und dabei spare ich auch noch Geld.
energieheld: Liebe Frau Gieseking, haben Sie vielen Dank!
Liebe Leserinnen und Leser,
auch den Berliner Gaswerken GASAG ist es ein Anliegen zum Klimaschutz beizutragen. Sie haben sich dazu verpflichtet den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2020 um zwei Millionen Tonnen zu reduzieren. So wird beispielsweise durch Biogas aufbereitetes Erdgas als fossiler Brennstoff bei der Stromerzeugung eingesetzt. Über die Nutzung sprach Frau Gieseking hier ausführlich. Die Aufgabe eines Gaswerkes ist es nicht nur zu produzieren, sondern auch vor allem als Verteiler von Erdgas zu dienen. Dazu schätzte Frau Gieseking den internationalen Markt ein und hat eine Abhängigkeit der GASAG im Bereich Erdgas von Russland dementiert. Das von der GASAG durch ein ökologisch betriebenes Blockheizkraftwerk versorgte Ullsteinhaus in Berlin hat Vorbildcharakter in Bezug auf Heizumrüstung eines denkmalgeschützten Hauses.
Interessant war zu erfahren, dass die GASAG Berlin mittlerweile etwa ein Fünftel des Berliner Gasverbrauchs durch Erdgas deckt. Zudem ist das Interesse an Erneuerbaren Energien bei der GASAG laut Gieseking groß. Wie lange allerdings eine Versorgungslücke bei einem plötzlichen Erdgaslieferstopp durch die eigenen Speicher der GASAG gedeckt werden kann, ist fraglich.