Interview: Prof. Dr. Volker Quaschning
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten und interessante Personen aus den verschiedensten Bereichen der Energiewende.
Diverse wichtige Themen zu Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. Anschließend wird das Interview einen Ausblick auf Trends sowie Tipps, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann gegeben. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmenssprecher, Wissenschaftler sowie Prominente und viele mehr zu Wort.
Heute im Interview: Prof. Dr.-Ing. habil. Volker Quaschning
Volker Quaschning wurde 1969 im Baden-Württischembergischen Leonberg geboren. Er ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Der habilitierte Ingenierwissenschaftler studierte an der Universität Karlsruhe das Fach Elektrotechnik.
Die Verleihung des Doktorgrades erlang Volker Quaschning mit der Promotion über die „Simulation von Photovoltaiksystemen“ an der TU Berlin.
Anschließend legte er die Habilitation (die höchstrangige Hochschul-prüfung in Deutschland, zur Feststellung der Lehrbefähigung) über „Szenarien einer klimaverträglichen Energie-versorgung für Deutschland“ ab. Volker Quaschning ist Autor vieler Publikationen, darunter Lehrbücher, Monographien und Fachartikel.
Beginn des Interviews
energieheld: Sehr geehrter Herr Quaschning, vielen Dank, dass Sie sich Bereit erklärt haben unsere Fragen zu beantworten. Es ist uns eine Ehre Sie bei uns im Blog von energieheld willkommen zu heißen.
Thema: Dringlichkeit und Probleme der Energiewende
„Dass die Kernenergie keine Alternative ist, hat das Reaktorunglück von Fukushima gezeigt.“
energieheld: Fangen wir am besten gleich an. Sie sind genau wie wir der Meinung, dass die Energieversorgung in Deutschland möglichst vollständig durch Erneuerbare Energien gedeckt werden sollte. Worin sehen Sie das Hauptproblem einer Energieversorgung aus fossilen Rohstoffen bzw. durch Kernenergie? Wie dringend ist die Energiewende?
Volker Quaschning: Europas Energieversorgung basiert zu großen Teilen auf Energieimporten. Allein Deutschland importiert fossile Energieträger für über 90 Milliarden Euro pro Jahr. Dadurch entstehen enorme politische Abhängigkeiten. Unsere Volkswirtschaft wird dadurch immer verwundbarer. Außerdem nimmt der weltweite Klimawandel immer bedrohliche Formen an. Ziehen wir hier nicht die Notbremse, droht bis Ende des Jahrhunderts eine globale Erwärmung um 4 bis 5 Grad Celsius, bis 2300 sogar um bis zu 12 Grad Celsius. Die Folgen für künftige Generationen wären katastrophal. Dass die Kernenergie keine Alternative ist, hat das Reaktorunglück von Fukushima gezeigt. Nur mit dem schnellen Aufbau einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung können wir die schlimmsten Folgen noch abwenden.
energieheld: Was glauben Sie, bis wann könnte theoretisch eine Energieversorgung Deutschlands aus hundert Prozent erneuerbaren Energien realisierbar sein? Und wie lange wird es wohl tatsächlich dauern, bis wir die Energiewende gänzlich erreicht haben?
Volker Quaschning: Technisch und ökonomisch wäre das bis spätestens 2040 zu erreichen. Und wenn wir irgendein Verantwortungsgefühl gegenüber den folgenden Generationen haben, werden wir das auch bis dahin umsetzen.
energieheld: In Ihrem Buch „Regenerative Energiesysteme: Technologie – Berechnung – Simulation“ erläutern Sie unter anderem die Entwicklung des Energiebedarfs in Deutschland. Darin schreiben Sie, ich darf zitieren:
„Die stark steigenden Gas- und Ölpreise und das gewachsene öffentliche Interesse für Klimaschutz ermöglichen nach der Jahrhundertwende neue Perspektiven bei der Energieversorgung. Der Umbau der Energieversorgung ist jedoch beschwerlich und wird an vielen Stellen immer noch unnötig erschwert.“
Worin liegen diese unnötigen Erschwerungen Ihrer Meinung nach?
Volker Quaschning: Die Nutzung fossiler Energieträger wird weltweit mit 500 Milliarden US Dollar jährlich subventioniert. Viele leben derzeit sehr gut von der Ausbeutung und Nutzung fossiler Rohstoffe. In Deutschland sind es vor allem die Verfechter der Kohlenutzung, die auf die Bremse treten. Würde man alle Umweltfolgekosten auf die Energiepreise draufschlagen, wären heute erneuerbare Energien bereits ohne Konkurrenz. Diese Wettbewerbsverzerrungen gilt es, so schnell wie möglich abzubauen, damit die erneuerbaren Energien ihrem Potenzial entsprechend auch genutzt werden.
energieheld: Wenn Sie entscheiden müssten: Würden Sie den Fokus eher auf eine Reduktion des Energieverbrauchs oder eine Umstellung der Energieerzeugung/-gewinnung legen.
Volker Quaschning: Hier ist die Frage nicht entweder oder. Wir brauchen beides. Eine vollständig erneuerbare Energieversorgung kann zumindest in den Industrieländern nicht ohne eine gleichzeitige Steigerung der Effizienz gelingen.
Thema: Energiepolitik in Deutschland
„Beim jetzigen Tempo wird die Energiewende weit mehr als 100 Jahre dauern. Diese Zeit haben wir nicht mehr.“
energieheld: Was halten Sie von der derzeitigen Energiepolitik in Deutschland – was wurde durch die Regierung versäumt und was lief hingegen gut? Hat Deutschland noch die Vorreiter- und Vorbildfunktion, die einst angestrebt wurde?
Volker Quaschning: Nach Fukushima hat Deutschland einige Weichen richtig gestellt. Vor allem durch den Druck der Energiekonzerne wurden allerdings jüngst bei der Stromversorgung einige Weichen wieder rückwärts gestellt. 50.000 Jobs in der Photovoltaik haben wir in Deutschland in den letzten beiden Jahren dadurch verloren. Im Wärme- und Verkehrssektor hat die Energiewende hingegen noch gar nicht richtig begonnen. Es fehlen Politiker, die sich in Deutschland für eine echte Energiewende stark machen. Dadurch laufen wir Gefahr, unsere Vorreiterrolle an Länder wie China zu verlieren. Beim jetzigen Tempo wird die Energiewende weit mehr als 100 Jahre dauern. Diese Zeit haben wir nicht mehr.
energieheld: Durch die mittlerweile relativ geringen Einspeisevergütungen für Photovoltaik-Strom verlängert sich die Amortisationszeit für eine privat betriebene Photovoltaikanlage. Der aktuelle Zubau an PV-Anlagen fällt daher geringer aus.
Wäre für das Gelingen der Energiewende daher eine stärkere Erforschung von Stromspeichern und der Einbindung von PV-Anlagen in komplexere Systeme (Wärmepumpe, Pufferspeicher, etc.) nicht sehr wichtig? Oder ist es eher die Effektivität der PV-Module, die entscheiden wird?
Volker Quaschning: Photovoltaikanlagen sind inzwischen so konkurrenzfähig, dass man den schnellen Ausbau in Deutschland durch neue Abgaben bremsen musste, damit er die Energiekonzerne nicht in noch größere Schwierigkeiten bringt. Ohne neue Belastungen wie die neu eingeführte Eigenverbrauchsumlage würde sich die Photovoltaik auch ohne Förderung behaupten können. Für die Energiewende gilt es, das Ausbautempo zu erhöhen. Die Entwicklung neuer Systeme ist dazu kurzfristig sehr wichtig. Entsprechende Forschungs- und Markteinführungsprograme können das Tempo forcieren. Langfristig können bessere Modulwirkungsgrade die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen noch weiter verbessern und damit die weltweite Energiewende beschleunigen.
Thema: Zukunft der Regenerativen Energien
„Gerade die Wärmepumpe wird künftig eine wichtige Rolle einnehmen und die Potenziale für die Gebäudesanierung sind unbestrittener-maßen enorm.“
energieheld: Sie sitzen in der HTW Berlin ja an einer der großen Wissensquellen, wenn man so sagen will. Was können wir in den nächsten Jahren spannendes aus der Welt der Regenerativen Energiesysteme erwarten?
Volker Quaschning: Der Trend geht zu autonomen Systemen. Die Menschen haben das Vertrauen in die Politik und Energiekonzerne verloren und machen sich durch eigene Anlagen oder die Beteiligung an Energiegenossenschaften zunehmend unabhängig. Dieser Trend wird sich verstärken, wodurch sich die gesamte Energiewirtschaft verändert. Das ist eine sehr spannende Entwicklung, die noch einige Überraschungen parat hat.
energieheld: Ihre Einschätzung: Ab wann wird die PV ohne Einspeisevergütung auskommen – werden wir diesen Zeitpunkt in den nächsten 20 Jahren erleben? Oder sind die metereologischen Bedingungen einfach zu schlecht im Vergleich zu Standorten wie z.B. in Teilen von Spanien?
Volker Quaschning:
Kleine Eigenverbrauchs-photovoltaikanlagen sind bereits heute in Deutschland voll konkurrenzfähig. Die Regierung hat jüngst durch eine neue Eigenverbrauchsumlage die Wirtschaftlichkeit verschlechtert. Die Einspeisevergütung ermöglicht den wirtschaftlichen Betrieb auch von größeren Anlagen. Inzwischen liegt die Einspeisevergütung in etwa in der Höhe des Börsenstrompreises plus der Klimafolgekosten von Kohlekraftwerken. Für mich gibt es keinen einleuchtenden Grund, warum Strom aus Solaranlagen künftig nicht mehr vergütet werden soll. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht aber genau dieses vor.
energieheld: Wäre es nicht sinnvoll, die Einspeisevergütung zu streichen und stattdessen Systeme stärker zu fördern, in denen PV integriert ist wie z.B. in Kombination mit einer Wärmepumpe und einem Pufferspeicher (thermisch und/oder elektrisch)? Im Heizungsbereich liegt doch ein Riesenpotential, wenn die Gebäudehülle vernünftig saniert ist – auch für die PV!
Volker Quaschning: Wie gesagt, sehe ich keinen Grund die Einspeisevergütung zu streichen und damit PV-Anlagen schlechter als Kohle- oder Atomkraftwerke zu stellen. Das bedeutet nicht, dass die Energiewende im Wärmebereich nicht forciert werden muss. Gerade die Wärmepumpe wird künftig eine wichtige Rolle einnehmen und die Potenziale für die Gebäudesanierung sind unbestrittenermaßen enorm.
Thema: Energetische Gebäudesanierung
„Gerade der Gebäudesanierungs- aber auch der Verkehrsbereich wurden bislang sträflich vernachlässigt.“
energieheld: Uns bei Energieheld fällt häufig auf, dass es in den Medien einen starken Fokus auf die Stromerzeugung und den Stromverbrauch gibt. Elektrizität als Thema ist natürlich wichtig, dennoch ist der Wärmemarkt ein ganz wichtiger Pfeiler der Energiewende.
Die Möglichkeiten der privaten Wärmeerzeugung durch regenerative Energien sind vielfältig. Solarthermie, Wärmepumpen, Pelletheizungen, etc. Wie heizen Sie persönlich Ihr Zuhause, Herr Quaschning?
Volker Quaschning: Unsere Wärme- und Stromversorgung erfolgt klimaneutral. Eine 8-kW-Photovoltaikanlage liefert deutlich mehr Strom als im Jahresdurchschnitt verbraucht wird. Ein innovativer grüner Stromanbieter sichert die Grundversorgung. Das Haus ist deutlich über den Standard hinaus gedämmt. Eine kontrollierte Be- und Entlüftung reduziert die Lüftungsverluste. Eine Pellets-Heizung deckt den Restwärmebedarf. Bei einem jährlichen Pelletsverbrauch von rund zwei Tonnen liegen die jährlichen Heizkosten bei etwa 500 Euro.
energieheld: Für die Energiewende wurde in Deutschland bereits 50 Mrd. Euro ausgegeben. Wäre es nicht vielleicht sinnvoller gewesen diese Gelder in die Gebäudesanierung zu stecken? Wären wir den CO2-Ziele dann nicht schon etwas näher und hätten zudem die regionale Wirtschaft, vor allem das Handwerk, bedeutend gestärkt?
Volker Quaschning: Angesichts der Dringlichkeit der Energiewende halte ich die bisherigen Ausgaben für gut investiert. Das bedeutet nicht, dass in allen Bereichen genug unternommen wurde. Gerade der Gebäudesanierungs- aber auch der Verkehrsbereich wurden bislang sträflich vernachlässigt. Hier brauchen wir dringend strengere gesetzliche Anforderungen in Kombination mit zusätzlichen attraktiven Förderprogrammen. Gerade hinsichtlich der enormen Ausgaben für Energieimporte wäre das Geld sehr gut investiert.
Thema: Energiesparen im Alltag
„… die starke Nutzung des Fahrrads und des öffentlichen Nahverkehrs sind nur einige Bausteine dazu.“
energieheld: Zum Schluss fragen wir unsere interviewten Experten stets nach einigen Energiespartipps für den Alltag. Daher nun auch an Sie die Frage: Was sind die fünf Energiespartipps von Volker Quaschning?
Volker Quaschning: Stellen Sie sich doch einfach einmal vor dass politische Unruhen die großen ölexportierenden Länder erfassen und die Energiepreise über Nacht stark ansteigen. Können Sie Ihre Lebensweise auch aufrechterhalten, wenn sich die Preise für Benzin, Strom und Heizung plötzlich verdoppeln? Wenn nein, sollten sie dort ansetzen, wo die Preissteigerung am schmerzhaftesten zuschlagen würde. Mich würde auch eine Vervierfachung der Energiepreise nicht aus der Bahn werfen. Um in der Frage so entspannt zu sein, muss man allerdings an mehr als fünf Punkten tätig werden. Effiziente Haushaltsgeräte, gezieltes Ausschalten nicht benutzter Geräte, optimale Wärmedämmung, Unabhängigkeit durch erneuerbare Energien und die starke Nutzung des Fahrrads und des öffentlichen Nahverkehrs sind nur einige Bausteine dazu.
energieheld: Herr Quaschning, haben Sie vielen vielen Dank für das ausführliche Interview.
Fazit:
Liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Interview von Prof. Dr. Volker Quaschning konnten wir wieder einmal mehr die interessante Meinungen eines wirklichen Experten erfahren. Herr Quaschning machte auf die Notwendigkeit zur Energiewende aufmerksam, zeigte Chancen und Risiken zum Gelingen dieser auf und nannte spannende Trends in den Entwicklungen von regenerativen Energiesystemen.
Zudem gab er zu erkennen, dass das Energiesparpotential durch die energetische Gebäudesanierung enorm ist. Anhand seines eigenen privaten Gebäudes zeigte er auch, wie man aktiv etwas für die Energiewende, gegen überhöhte CO2-Emission und gegen die Angst vor hohen Energiekosten tun kann.
Sie haben noch weitere Fragen? Direkte Fragen können Sie Herrn Quaschning hier stellen.
Wir freuen uns schön auf das nächste Interview bei:
energieheld fragt – Experten antworten