Mehr Sanierungen durch neue EU-Richtlinien
Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für Europa – ihn und seine Folgen zu verhindern oder zumindest abzuschwächen, sind erklärte Ziele der Europäischen Union. Bis 2050 müssen alle Mitgliedstaaten klimaneutral sein.
Nun hat die Europäische Kommission eine Reihe von Richtlinien vorgelegt, die zum Erreichen dieses Ziels beitragen sollen. Besonders die Sanierung alter und nicht energieeffizienter Gebäude steht im Fokus. Wie genau die Richtlinien aussehen und was auf deutsche Hausbesitzer zukommt, erfahren Sie nachfolgend.
Klimaneutral durch Gebäudesanierung
Um die Renovierungs- und Sanierungsrate von nicht energieeffizienten Gebäuden innerhalb der EU-Mitgliedstaaten voranzutreiben, hat die EU-Kommission Mitte Dezember 2021 Vorschläge für einheitliche Gesetzesentwürfe vorgelegt. Sie sollen es Mitgliedstaaten erleichtern, die im Rahmen des „Grünen Deals“ geplante Renovierungswelle umzusetzen.
Bis 2030 sollen demnach all jene Gebäude energetisch saniert werden, welche die schlechteste Energieeffizienz aufweisen. Insgesamt betrifft dies etwa 15 Prozent aller Gebäude in der EU. Ab 2030 müssen dann auch alle Neubauten emissionsfrei sein, für Gebäude im öffentlichen Raum gilt das schon ab 2027.
Im Einzelnen bedeutet das, dass die Häuser möglichst wenig Energie verbrauchen dürfen und (nach Möglichkeit) mit erneuerbaren Energien betrieben und beheizt werden müssen. Zur einheitlichen Bewertung der Energieeffizienz soll ein neuer Energieausweis dienen, der außerdem Aufschluss darüber geben wird, wie viel Emissionen das Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg verursacht.
Wie sieht die Umsetzung aus?
Zur Ermittlung der Energieeffizienzklasse sollen bis 2025 alle Energieausweise für Gebäude auf eine einheitliche Skala von A (höchste Energieeffizienz) bis G (niedrigste Energieeffizienz) gebracht werden. Die Einteilung in diese Energieeffizienzklassen kennt man seit 2021 bereits von Elektrogeräten und anderen Energieverbrauchern. Im Zuge der EU-Richtlinie ist geplant, dass alle Wohngebäude mit der Klasse G bis 2030 mindestens auf die Klasse F gebracht werden. Nichtwohngebäude sind auch hier drei Jahre früher dran.
Außerdem soll die Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises ausgeweitet werden: Bei größeren Renovierungen, der Verlängerung von Mietverträgen und dem geplanten Verkauf von Gebäuden muss die Energieeffizienzklasse zukünftig ermittelt und angegeben werden. Die Energieeffizienzklasse muss entsprechend auch in Anzeigen für den Verkauf oder die Vermietung erscheinen. Öffentliche Gebäude seien dann ohnehin dazu verpflichtet, hieß es von Seiten der Kommission.
Schrittweise sanieren mit dem Renovierungspass
Ebenfalls im Vorschlag der Kommission enthalten ist ein sogenannter „Renovierungspass“. Dieser ist freiwillig und soll die Planung und den Ablauf größerer Sanierungen erleichtern. Zentral ist dabei die stückweise Sanierung, bestehend aus mehreren aufeinander abgestimmten Maßnahmen, die eine klare Roadmap ergeben. Das Ziel ist es damit auch hohe Kosten zu vermeiden.
Der Renovierungspass soll nach heutigem Stand folgendes enthalten: Eine Schritt-für Schritt-Anleitung, bestehend aus aufeinander aufbauenden Maßnahmen, die das Gebäude bis 2050 zu einem Null-Emissions-Haus machen, die erwarteten Einsparungen in Bezug auf Energie, Energiekosten und Treibhausgasemissionen sowie positive Einflüsse auf Gesundheit, Komfort und das Klima.
Entsprechend kann der Pass nur von einem zertifizierten Experten bei einem Vor-Ort-Besuch ausgestellt werden. Hausbesitzer können dann ihre persönlichen Vorteile und den Einfluss ihres Eigenheims auf den Klimawandel auf einen Blick erkennen. Auch Infos über finanzielle Förderung und technische Hilfestellung sollen im Renovierungspass enthalten sein.
Die Kommission will hierfür bis Ende 2023 den Rahmen für Mitgliedstaaten vorgeben. Diese müssen dann bis Ende 2024 ein entsprechendes Schema vorbereiten.
Verbot fossiler Brennstoffe?
Ein weiterer Teil der EU-Richtlinie sieht vor, ab 2027 keine finanziellen Anreize für den Einbau einer Heizung mit fossilen Brennstoffen zu erlauben. Darüber hinaus sollen die EU-Länder die rechtliche Möglichkeit erhalten, die Verwendung von fossilen Brennstoffen in Gebäuden ganz zu verbieten. Länder wie Luxemburg unterstützen ein Verkaufsverbot solcher Heizungen.
Der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist bis 2040 vorgesehen. Die Zukunft der Heizung sieht die EU-Kommission vor allem bei elektrischen Heizsystemen wie Wärmepumpen.
Das sind die Maßnahmen:
- Sanierungspflicht für energetisch sehr ineffiziente Gebäude bis 2030
- Pflicht zum Bau emissionsfreier Häuser ab 2030 (für öffentliche Gebäude ab 2027)
- Einführung eines neuen Energieausweises ab 2025
- Einführung des Renovierungspasses für die schrittweise Sanierung bis 2025
- Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2040
Hintergründe zum Vorschlag der Kommission
Der Gebäudesektor verursacht 40 Prozent des Energieverbrauchs und damit mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen in der EU. Daher sieht die Kommission hier einen großen Hebel für die Umsetzung des „Green Deal“, also der Klimaneutralität der Europäischen Union bis 2050. Wichtiges Teilziel des Deals ist die Reduzierung aller Treibhausgasemissionen innerhalb der EU um 55 Prozent bis 2030 gegenüber dem Jahr 1990.
Fit für 55
Die Richtlinie ist der zweite Teil des Fit für 55-Paktes der EU-Kommission. Mit diesem Paket wurden bereits im Juli 2021 die verbindlichen Klimaziele für 2030 festgelegt – die bereits erwähnten 55 Prozent Reduzierung der Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990. Darin inbegriffen ist auch der Klima-Sozialfonds. Dieser enthält rund 72 Milliarden Euro, die für einkommensschwache Haushalte, Verkehrsnutzer und kleine Unternehmen vorgesehen sind, die besonders stark von den Neuerungen betroffen sein werden.
Ein weiteres Finanzierungspaket ist der Europäische Sozialfonds Plus mit weiteren 99 Milliarden Euro. Dieser zielt darauf ab, zwischen 2021 und 2027 Strategien und Reformen einer nachhaltigeren Wirtschaft zu fördern. Immerhin sollen dank des Green Deal bis 2050 rund 3 Millionen neuen Arbeitsplätze innerhalb der EU geschaffen werden.
Der Weg aus der Energiearmut
Außerdem will die EU mit den vorgeschlagenen Maßnahmen der Energiearmut entgegenwirken. Mehr als 30 Millionen Gebäude würden laut EU-Kommission 2,5 Mal so viel Energie verbrauchen, wie im Durchschnitt normal wäre. Dies treibe die Energierechnungen der Haushalte in die Höhe. Die derzeit steigenden Energiepreise tun ihr Übriges.
Eine höhere Renovierungsrate soll laut EU-Kommission Teil der Lösung dieses Problems sein. Die Umsetzung der Richtlinien werde neue Arbeitsplätze schaffen und zu mehr Innovation und Gründungen kleiner und mittelständischer Unternehmen beitragen. Insgesamt werde so ein widerstandsfähiges, umweltfreundliches und digitales Bauökosystem entstehen. Bis zum 28. Februar 2022 läuft die öffentliche Beratung über die Richtlinien zwischen Mitgliedstaaten, Interessengruppen, Industrie und Nichtregierungsorganisationen.
Was bedeutet das für Hausbesitzer in Deutschland?
Da es sich bei den Richtlinien der EU-Kommission um Gesetzesvorschläge handelt, besteht aktuell noch kein akuter Handlungsbedarf für private Haushalte. Darüber hinaus ist geplant, die Richtlinien in die nationalen Klimapläne der Mitgliedstaaten zu integrieren.
Welche Regeln genau in Deutschland gelten werden, ist daher noch nicht absehbar. Da Deutschland mit dem neuen Klimaschutzgesetz 2021 die Klimaneutralität als Ziel für 2045 festgelegt hat, also 5 Jahre früher als die EU, ist unter Umständen mit noch schärferen Regeln zu rechnen.
Unklar ist bisher auch noch, welche Kosten durch die Sanierungspflicht entstehen werden und wie diese im Einzelnen gedeckt werden sollen. Die EU-Kommission hat allerdings die Mitgliedstaaten aufgefordert, „geeignete Instrumente für Haushalte mit geringem Einkommen zu schaffen“ und in die Vorschriften für öffentliche und private Finanzierung zu integrieren.
Unabhängig davon ist eine energetische Sanierung eines ineffizienten Hauses jedoch bereits heute zu empfehlen. Die Wärmedämmung eines Gebäudes oder der Umstieg auf eine effiziente und umweltschonende Heizung, beispielsweise eine Wärmepumpenheizung, lohnen sich auch aus finanzieller Sicht. Aufgrund steigender Brennstoffpreise und der CO2-Steuer amortisieren sich derlei Investition binnen weniger Jahre. Besonders die Kombination einer Photovoltaikanlage mit Wärmepumpe oder Elektroauto ist lohnenswert.
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