HBCD: HBCD haltige Dämmstoffe, HBCD Dämmstoffe & Brandschutz für WDVS
Von Mike KinderDas Flammschutzmittel HBCD ist vor einigen Jahren vermehrt negativ in die Schlagzeilen geraten. Es folgte ein Verbot mit weitreichenden Folgen - auch für den Brandschutz von Gebäudedämmungen und Dämmstoffen wie EPS und XPS.
Doch was ist HBCD eigentlich? Wo wurde es verwendet, warum wurde es verboten, besteht eine Gefahr für die eigene Gesundheit und welche Alternativen gibt es auf dem Markt? Diese Fragen wollen wir in dem folgenden Artikel beantworten. Lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr.
HBCD: eine Übersicht
HBCD ist ein additives Flammschutzmittel, das in Textilien und Polstermöbeln, vor allem aber in Polystyrolplatten für Gebäudedämmungen (WDVS) in großem Umfang eingesetzt wurde. Der Stoff ist normalerweise fest und kaum wasserlöslich. Seine wichtigste Eigenschaft ist seine brandhemmende Wirkung bei Kunststoffen, weshalb HBCD im Zusammenhang mit Gebäudebrandschutz und Dämmungen eine zentrale Rolle gespielt hat.
Insbesondere in Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) ist HBCD zum Einsatz gekommen. HBCD gilt als schwer abbaubares Umweltgift. Seit 2016 ist sowohl die Herstellung als auch die Verwendung verboten. Allerdings bestand noch eine mehr als einjährige Ausnahmeregelung, die im März 2018 endgültig ausgelaufen ist.
HBCD: Darum ist es verboten
HBCD hat vier umwelt- und gesundheitsschädigende Eigenschaften: Es ist giftig für Gewässerorganismen wie Krebstiere und Algen. Es reichert sich in Organismen an, ist also bioakkumulierend. Zudem besitzt es ein Ferntransportpotenzial: So wurde HBCD z. B. in der Tierwelt der Arktis nachgewiesen.
Außerdem gilt der Stoff als persistent, also schwer abbaubar. Er findet sich in jahrzehntealten Sedimentschichten. Aus diesen Gründen gilt HBCD als umweltschädlich und ist deshalb 2013 in das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe aufgenommen worden. Darüber hinaus gilt der Stoff als gesundheitlich bedenklich.
In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass sich HBCD negativ auf die Embryonal- und Säuglingsentwicklung auswirkt. Vor allem Schädigungen des Nervensystems und Verhaltensstörungen sind als Folgen festgestellt worden. Allerdings haben Untersuchungen an Menschen ergeben, dass HBCD nur bei einem kleinen Teil der Untersuchten gefunden wurde und das in Konzentrationen, die unbedenklich sind.
So wurden die Grenzwerte deutlich unterschritten. Da sich die Folgen persistenter Stoffe wie etwa HBCD unter Umständen jedoch erst nach Jahrzehnten der Verwendung äußern und man beispielsweise mit PCB schlechte Erfahrungen gemacht hat, ist HBCD 2016 vorsorglich aus dem Verkehr gezogen worden. Seitdem sind Produktion und Verwendung weltweit verboten.
HBCD in der Dämmung - droht jetzt Gefahr für die Gesundheit?
Wer in einem Haus wohnt, dessen Dämmung mit HBCD versetzt ist, der braucht sich keine Sorgen zu machen, dass er dadurch einer Gesundheitsgefahr ausgesetzt ist. Denn bei fachgerechter Verwendung tritt nur sehr wenig HBCD aus der Dämmung aus, das in den menschlichen Organismus geraten könnte.
Da HBCD in der Umwelt recht weit verbreitet ist, ist die Wahrscheinlichkeit den Stoff über die Nahrungskette aufzunehmen ohnehin viel größer. Vor allem in fettreichen Nahrungsmitteln ist HBCD nachgewiesen worden. Aber auch hier liegen die Konzentrationen des Stoffes weit unter den Grenzwerten, die als gesundheitsgefährdend gelten. Außerdem kommt es in geringen Konzentrationen in Lebensmittelverpackungen vor.
Auch ist für die unmittelbare Umgebung des Gebäudes keine Gefährdung zu erwarten, da die vom Regenwasser ausgewaschenen Mengen zu gering sind, um sich negativ auszuwirken. Dazu kommt, dass die Dämmplatten von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) gewöhnlich durch einen vier Millimeter dicken mineralischen Putzauftrag, samt Armierungsgewebe und durch einen Anstrich vor Witterungseinflüssen geschützt sind. So geschützt sind Auswaschungen aus den Dämmstoffplatten eher unwahrscheinlich.
HBCD: Wo wurde es verwendet?
HBCD wurde hauptsächlich in Dämmplatten von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) aus expandierten Polystyrolen (EPS) und extrudierten Polystyrolen (XPS) verwendet. Hier wurde es vor allem als Flammschutzmittel für den Brandschutz genutzt, da es sich besonders gut eignet, Brände zu vermeiden oder deren Entwicklung stark zu verzögern und so eine Ausbreitung zu verhindern.
Dadurch wurden die Dämmstoffe als schwer entflammbar klassifiziert (Baustoffklasse B1), weshalb sie für Gebäude bis 22 Meter Höhe zugelassen sind. In voll entwickelten Bränden brennt aber auch mit HBCD imprägnierter Kunststoff.
Außerdem wurde HBCD in Polstermöbeln, Textilien und Verpackungsmaterialien verwendet. So wurden z. B. Elektrogeräte häufig in schlagfesten Verpackungen aus Polystyrolen transportiert. Auch in den Gerätegehäusen älterer Elektrogeräte ist manchmal HBCD enthalten. Innerhalb der Europäischen Union sind bis 2016 jährlich ca. 12.000 Tonnen HBCD verbraucht worden. Seit März 2018 ist die Verwendung von Dämmstoffen, die HBCD enthalten, jedoch endgültig verboten.
Gebäudehöhe (gemessen an der Höhe des Fußbodens eines Raumes im obersten Geschoss) | Erforderliche Baustoffklasse WDVS |
---|---|
Geringe Höhe (0 - 7 m) | B2 (normal entflammbar) |
Mittlere Höhe (7 - 22 m) | B1 (schwer entflammbar; HBCD / TBBPA / bromierte Polymere) |
Hochhäuser (22 - 100 m) | A1 & A2 (nicht brennbar; Mineralwolle, Glasschaum etc.) |
HBCD Alternativen
Das Verbot von HBCD hat natürlich zur Folge gehabt, dass Dämmplatten aus expandierten und extrudierten Polystyrolen einen Ersatzstoff als Flammschutzmittel brauchten, um die Anforderungen der Baustoffklasse B1 zu erfüllen und so weiter für die Nutzung in WDVS zur Verfügung zu stehen. Die Hersteller von EPS und XPS haben den Dämmstoffen hierzu ein bromiertes Polymer als Ersatzstoff in einer Konzentration von 1 Prozent beigemengt.
So behandelt erreichen die Dämmplatten ebenfalls die Klasse B1. Außerdem gibt es noch TBBPA als Flammschutzmittel. Das Bundesumweltamt rät von dessen Benutzung jedoch ab. Alternativ gibt es aber auch noch zahlreiche Dämmmaterialien wie etwa Mineralwolle, Mineralschaum, Blähton oder Calziumsilicat, die ähnlich gute Dämmwerte erreichen und zudem nicht entflammbar sind (z. B. Mineralwolle / Baustoffklasse A1). Die Dämmstoffe der Baustoffklassen A1 und A2 sind ohnehin zur Installation von Brandriegeln alle zwei Stockwerke und als Sturzschutz über Fenstern und Türen gesetzlich vorgeschrieben.
So soll ein Übergreifen von Bränden durch die Fenster auf die Fassade und die Ausbreitung von Fassadenbränden in die oberen Stockwerke verhindert oder zumindest verzögert werden. Wer Dämmstoffen aus EPS oder XPS misstraut und für sein WDVS eher auf nachwachsende Rohstoffe setzen will, der kann auch Dämmplatten aus Holzwolle, Kork, Zellulose oder Hanf nutzen. Die Klassifizierung der jeweiligen Dämmstoffe hinsichtlich des Brandschutzes können Sie der untenstehenden Tabelle entnehmen.
Eigenschaft des Baustoffs | Dämmstoffe | Klassifizierung nach DIN 4102-1 | Gebäudeklasse |
---|---|---|---|
Nicht brennbar | Glaswolle, Perlit, Steinwolle, Schaumglas, Calziumsilicat, Blähton |
A1 | Hochhäuser (ab 22 m) |
Nicht brennbar (mit Anteilen aus brennbaren Baustoffen) |
Perlit, Steinwolle, Holzwolle | A2 | |
Schwer entflammbar | Holzwolle-Leichtbauplatten, Styropor/EPS, XPS, PUR/PIR, Kork | B1 | Gebäudeklasse 4-5 (7 - 22 m) |
Normal entflammbar | Flachs, Holzfaser, Hanf, Seegras, Zellulose, Schilf, Schafwolle, Kokosfaser | B2 | Gebäudeklasse 1-3 (bis 7 m) |
Leicht entflammbar | - | B3 | Nicht zulässig |
Zum Autor: Mike Kinder
Mike Kinder hat einen Master of Engineering im Bereich „Energieeffizientes und nachhaltiges Bauen“ und ist seit 2017 in der Bau- und Sanierungsbranche tätig. Als zertifizierter Energieeffizienz-Experte für Wohngebäude setzt er sich leidenschaftlich für innovative und nachhaltige Sanierungslösungen ein.
Wenn er nicht gerade für Energieheld schreibt, trägt er dazu bei, Ansätze zu entwickeln, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Hier gelangen Sie zu Mikes LinkedIn Profil.